Das Buch zum Thema: Deutschsprachige Kinder- und Jugendzeitschriften Leseprobe, Rezension, Bezugsmöglichkeiten |
Die Werbekinderzeitungen der MargarineindustrieDie Rama Post, Fips Lach-Zeitung für liebe kleine Kinder, Fips die heitere Post vom kleinen Coco, Rama im Blauband Woche, BlaubandwocheVorbemerkungen
Margarine wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Frankreich entwickelt (Patent von 1869). Es handelt sich um ein butterähnliches Streichfett, das aber ursprünglich billiger war als natürliche Butter und als Butterersatz für finanzschwächere Bevölkerungsschichten dienen sollte. |
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Die beiden Unternehmen standen besonders ab 1904, als Van den Bergh mit 'Sanella' den Kampf der Produktmarken eröffnete, in starker Konkurrenz zueinander. Der Konkurrenzkampf erreichte 1924 einen Höhepunkt, als Van den Bergh mit Blauband und Jurgens mit Rahma (seit 1927 Rama) auf den Markt kamen. Um einen ruinösen Konkurrenzkampf zu vermeiden, schlossen sich die beiden Unternehmen 1929 zur "Margarine-Verkaufs-Union" zusammen, aus welcher der Konzern Unilever entstand. |
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In der Zwischenkriegszeit spielten ihm Rahmen des Zugabewesens die sogenannten Werbekinderzeitungen eine bedeutende Rolle. Vergleiche dazu die Beiträge Kinder als Kaufmotivatoren und Die Entwicklung der Kinderzeitungen |
Beginnen wir mit den Werbekinderzeitungen aus Goch (Jurgens, Rama):
Der kleine Coco (Die Rama Post vom kleinen Coco)Zeitschrift zur Unterhaltung und Belehrung der JugendDie Zeitung erschien von 1909 bis 1915 und von 1924 bis 1933. Der kleine Coco von 1909 bis 1915
Der kleine Coco ist die erste echte Werbekinderzeitung, die mir bekannt ist. Natürlich hatte es schon vorher diverse Beilagen als Werbemittel gegeben, wobei vor allem Sammelbilder sehr beliebt waren, aber auch kleine Märchenhefte oder Ähnliches.
Der kleine Coco setzte aber erstmals das Konzept einer periodischen Zeitschrift für Kinder mit vermischten Beiträgen, Fortsetzungsgeschichten, Briefkasten, Preisausschreiben und dergleichen als Werbebeigabe für ein bestimmtes Produkt konsequent um. |
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Geworben wurde für die Marke Cocosa, ein als Pflanzenbutter bezeichnetes Margarineprodukt. Beim Kauf einer Packung Cocosa erhielt man die aktuelle Ausgabe des Der kleine Coco gratis dazu. |
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Auszug aus dem deutschen Koloniallexikon: Pflanzenbutter nennt man verschiedene butterähnliche, von den Eingeborenen benutzte Pflanzenfette wie Kokosbutter (s. Kokospalme), Palmöl (s. Ölpalme), Schibutter (s. Schibaum), Mowrah- bzw. Illipebutter (s. Fette) u. a. Nach und nach sind diese Fette wichtige Rohstoffe für die Kunstspeisefettfabrikation geworden. Ihre Erzeugnisse finden heute als Palmin, Palmona, Cocosa u.a. oder kurz als Pflanzenbutter Verwendung. Die Bezeichnung ist also von den Nahrungsmitteln der Eingeborenen auf ein sehr verbreitetes Nahrungsmittel der Kulturvölker übergegangen. |
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Auf dem Cover der Zeitschrift war vermerkt: "Redaktion: Coco, der Cocosa=Neger" Dementsprechend waren redaktionellen Mitteilungen mit "Coco" gezeichnet und Der kleine Coco betreute auch diverse redaktionelle Spalten (Abbildungen oben). Vergleiche dazu auch Die Darstellung Schwarzer in der deutschsprachigen Kinderliteratur. |
Zu den Bildbeispielen oben: |
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Zahlreiche Illustrationen (Bild links) aber auch Gedichte und Textbeiträge stammen von dem in München ansässigen Kunstmaler Hermann Frenz, der auch für die Kinderzeitung Das Blatt der Kinder (Ullstein) zeichnete, Ansichtskarten entwarf und Kinderbuchsammlern durch seine 1901 erschienene Struwwelpeterversion 'Der moderne Struwwelpeter' bekannt ist. |
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Der Erste Weltkrieg fand seinen Niederschlag auch im kleinen Coco. Anders als im zweiten Weltkrieg, wo die Werbekinderzeitungen die Kriegserreignisse fast völlig ignorierten, folgte Der kleine Coco dem allgemeinen Trend der Kinder- und Jugendzeitschriften seiner Zeit, brachte umfangreiche Berichte über das Kriegsgeschehen und betrieb Werbung nicht nur für Margarine, sondern auch Kriegspropaganda. Vergleiche dazu: Der erste Weltkrieg im Kinder- und Jugendbuch. |
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Oben Titelblätter aus dem 6. Jahrgang 1914/15, die das aktuelle Kriegsgeschehen thematisieren: Beschießung und Einnahme von Maubeuge, Auf der russischen Heerstraße, Ein Unterseeboot versenkt einen feindlichen Dampfer. |
Wenden wir uns nun dem Konkurrenzprodukt aus Kleve, der Blaubandwoche zu.
Die Blaubandwoche, Rama im Blaubandwoche
Die Blaubandwoche erschien von 1925 (1. Jahrgang) bis 1931 (7. Jahrgang). 1931 wurde sie mit Nr. 6 eingestellt und durch Rama im Blauband-Woche ersetzt. Diese Zeitschrift erlebte allerdings nur 46 Ausgaben. 'Rama im Blauband', die Marke der ehemaligen Konkurrenten, die nunmehr in der Unilever vereinigt waren, wurde ab 1932 nur mehr von den beiden Varianten der 'Rama-Post' (Coco und Fips) beworben, bis auch diese Zeitschriften 1933 eingestellt wurden. |
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Bild oben links: Die Blaubandwoche, Eine Zeitschrift für die Familie, war eine sehr konventionelle Kinderzeitung, die sich auch an ältere Kinder richtete und umfangreiche Textbeiträge, mit zahlreichen, zunächst nicht besonders beeindruckenden Illustrationen enthielt. |
Die Beispielsseiten unten können durch Anklicken des Bildes vergrößert werden. |
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Bild oben links (Nr. 23 des 2. Jahrganges): Titelzeichnung von Emmerich Huber. Das 'Weißfärben von Negern' ist kein bedenklicher Beitrag zur Integrationsfrage, sondern wurde in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts als völlig unproblematischer Scherz empfunden; vgl. auch: Die Darstellung Schwarzer in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur |
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Bild oben links (Nr. 33 des 2. Jahrganges): Blaubandwerbung |
Das Neueste von Onkel Jup: Die von Emmerich Huber kreierte Figur des Onkel Jup begleitete die Blaubandwoche jahrelang in Form von Bildgeschichten aber auch in bzw. als Illustration zu Textbeitägen. Gelegentlich wandte sich Onkel Jup auch direkt, sozusagen für die Redaktion sprechend an die jungen Leser. |
Oben: Solche Heftchen wurden von der Leipziger Margarinefabrik, Richard Held, in Scheuditz ihren Produkten beigelegt und warben für "Heldenstern, die feine Sahnemargarine". Ein Heft bestand aus 8 Seiten, davon vier Seiten Bilder und vier Seiten Text. Der Inhalt war unterschiedlich: Vermischte Erzählungen, Abenteuer und Märchen. Wann diese Serie erschienen ist, kann ich nicht genau sagen, es wird aber wohl vor dem ersten Weltkrieg gewesen sein, also zeitgleich mit der ersten Erscheinungsphase des kleinen Coco. |
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Lediglich die Vereinigten Margarinewerke Nürnberg traten den Werbekinderzeitungen der "Margarine-Verkaufs-Union" mit ihrer Hausbücherei der frischen Resi entgegen und formulierten das so:"....Nicht eine vergängliche Zeitung wollen daher die Resi-Werke ihren Freunden bringen, sondern Erzählungen berühmter Schriftsteller..." . Die umfangreiche Reihe brachte bunt Vermischtes von bilderbuchartigen Bändchen bis zu Abenteuergeschichten. Ein Band hatte etwa 30 Seiten Text, oft keine Abbildungen, warb für die Marke "Die frische Resi" und enthielt meist zusätzlich ein Kochrezept. Soweit Texte bekannter Schriftsteller 'bearbeitet' wurden, erlitten sie oft eine grausame Kürzung, um sie der vorgegebenen begrenzten Seitenzahl anzupassen. Die Reihe erschien in den 20er und 30er Jahren. Die Hausbücherei der frischen Resi, die nicht nur auf Kinder abstellte, sondern einen möglichst großen Leserkreis anzusprechen suchte, war seinerzeit weit verbreitet und recht beliebt. |