Das Buch zum Thema:
Deutschsprachige Kinder- und Jugendzeitschriften
Leseprobe, Rezension, Bezugsmöglichkeiten

Kinderzeitungen

Allgemeines

Im Rahmen der Geschichte der deutschsprachigen Kinderliteratur werden die sogenannten Kinderzeitungen besonders stiefmütterlich behandelt. Das mag seine Ursache darin haben, dass Kinderzeitungen im Gegensatz zu schönen, fest gebundenen Büchern, die jahrzehntelang im Bücherschrank überleben konnten, meist auf billiges Zeitungspapier gedruckt, zum sofortigen Konsum bestimmt und mit dem Erscheinen der nächsten Nummer bereits überholt waren. Vieles ist daher verlorengegangen und in Vergessenheit geraten. Dazu kommt, dass wegen der raschen Erscheinungsfrequenz die Beiträge von unterschiedlichster Qualität waren und zum Teil nicht zu Unrecht als belanglose Trivialliteratur für Kinder angesehen wurden.
Dennoch darf nicht übersehen werden, dass Kinderzeitungen zeitweise eine zentrale Rolle in der Kinderliteratur spielten und das Leseverhalten und die kindliche Vorstellungswelt ganzer Generation beeinflussten.
Der folgende Beitrag will einen Überblick über die Geschichte der Kinderzeitungen mit besonderer Berücksichtigung der frühen Nachkriegszeit bieten und auf inzwischen fast vergessene Perlen der österreichischen Kinderliteratur hinweisen.
Kinderzeitungen sind ein spezielles Medienformat um Kinder- und Jugendliteratur zu transportieren. Wie der Name sagt, handelt es sich um eigenständige, periodisch erscheinende Zeitungen, die sich ausschließlich an Kinder richten, nur ausnahmsweise aktuelle Nachrichten bringen und fast nur der Unterhaltung bzw. durch kindergerechte Darstellung von Themen der Allgemeinbildung der Belehrung dienen. Eine typische Kinderzeitung enthält daher viele Bilder, Bildgeschichten, Märchen, Sagen, Fortsetzungsgeschichten, einen Bastelteil, Ausschneidebögen und allgemeine Beiträge über Heimatkunde, Naturgeschichte, Geschichte, Geografie und Technik.
Kinderzeitungen lassen sich von anderen Medienformen recht deutlich abgrenzen. Obwohl sie mit ihren (komischen) Bildgeschichten, die zwischen den beiden Weltkriegen vermehrt das Bild vieler solcher Zeitungen prägten, oft zu Vorformen der Comics gerechnet werden, enthalten sie nur ausnahmsweise und in ihrer Spätzeit echte Comics, so wie wir sie heute kennen. Kinderzeitungen bezeichnen sich fast immer selbst als Zeitung, Kinderzeitung, Zeitung für unsere Kinder usw. Damit ziehen sie einen Trennstrich auch zu den später aufkommenden Comics, die im deutschen Sprachraum hauptsächlich im thematisch geschlossenen Heftchenformat und nicht im Zeitungsformat erfolgreich waren. Kinderzeitungen richteten sich an einen Leserkreis mit einem Alter bis etwa 12 Jahren, konnten aber bisweilen der Versuchung nicht widerstehen, auch einen älteren Leserkreis anzusprechen und so die Grenze zu den Jugendmagazinen, wie sie in den 50er Jahren aufkamen, zu überschreiten.

Versucht man die Geschichte der Kinderzeitungen darzustellen, lassen sich verschiedene, zeitlich abgrenzbare Entwicklungsstufen ausmachen.

1. Die frühen Kinderzeitungen

Dieser Entwicklungsabschnitt beginnt Ende des 18. Jahrhunderts und dauert bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts.
Ende des 18. Jahrhunderts etablierten sich periodische Zeitschriften, die sich von herkömmlichen Zeitungen dadurch unterschieden, dass sie in längeren regelmäßien Intervallen erschienen, daher weniger aktuelle Nachrichten enthielten, sondern Beiträge zu publikationsspezifischen Themen. Sie richteten sich in diesem Rahmen an einen bestimmten bürgerlichen Leserkreis, heute würden wir ihn Zielgruppe nennen.
Ebenfalls ab dem Ende des 18. Jahrhunderts begann sich der Begriff Kinderliteratur zu entwickeln. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war diese Entwicklung soweit abgeschlossen, dass Kinderliteratur allgemein als eigenständige Literaturgattung verstanden wurde, die deutlich getrennt neben der für Erwachsenne bestimmten Literatur existierte und die Grundlage für gezielte pädagogische Einflußnahmen bot.
Das Entstehen periodischer Zeitschriften einerseits und des Konzeptes eigenständiger Kinderliteratur andererseits brachte geradezu zwangsläufig Periodika hervor, die sich als "Kinderzeitungen" an Kinder und Jugendliche richteten.
Diese Kinderzeitungen standen stärker als ihre späteren Formen im engen Kontext zu der in Buchform erscheinenden Kinderliteratur; sie waren inhaltlich praktisch themengleich.
In den folgenden mehr als hundert Jahren, wurden auch Kinderzeitungen von den verschiedensten geistigen und künstlerischen Strömungen beeinflußt. Aufklärung, Romantik, Biedermeier und Jugendstil übten ihren Einfluss auf Themen und Bildschmuck. Immer aber wurde die Kinderliteratur dieser Zeitspannen von dem aus der Aufklärung herrührenden pädagogischen Aspekt bestimmt. Kinder sollten zu Tugenden wie Vaterlandsliebe, Gottesfurcht, Folgsamkeit, Hinwendung zu nützlichen Tätigkeiten, Heldentum (für Knaben), Häuslichkeit (für Mädchen) und dergleichen mehr hingeführt werden.
Besser als jede theoretische Darstellung lassen die den Buchtiteln beigefügten Widmungen erkennen, was von den jungen Lesern erwartet wurde und welchem Zweck ihre Literatur dienen sollte.
Hier eine willkürliche Auswahl aus Kinder und Jugendbüchern des 19. Jahrhunderts, die sich beliebig fortsetzen ließe:
..... für fleißge und wohlerzogene Kinder; zur Aufmunterung für die Jugend; zur Ermunterung und Bildung der reiferen Jugend; zur Erheiterung und Belehrung; zur Entwicklung der Seelenkräfte der Jugend beiderlei Geschlechts; für die wißbegierige Jugend; für gute und fromme Kinder....die durch Lehre und Beispiel immer besser, klüger und frömmer zu werden wünschen; zur Gewöhnung an zweckmäßige Tätigkeiten; ...für Knaben, die einst wackere Männer werden sollen; zur Veredelung der Jugend..

Bereits ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden parallel zu den Kinderzeitungen Kinderbeilagen und Jahrbücher.
Kinderbeilagen waren Kinderzeitungen, die nicht selbständig erschienen, sondern etablierten, für Erwachsene bestimmten Periodika beigelegt wurden. Damit wurde einerseits die 'Zielgruppe' des entsprechenden Blattes erweitert und andererseits das verlegerische Risiko, das mit der Herausgabe einer neuen Zeitung verbunden war, verringert.

Eine andere Spielart waren Jahrbücher und Kalender für Kinder und Jugendliche, die einmal jährlich erschienen und insoweit auch zu den Periodika gerechnet werden können. Sie brachten bunt gemischt kürzere Erzählungen, Rätsel, Gedichte und Bilder und entsprachen so von Inhalt und Umfang den verlagsgebundenen Jahrgangsbänden der kurzfristiger erscheinenden Kinderzeitungen, die gleichfalls weit verbreitet waren.

Aus der Vielzahl der in diesem Zeitrahmen erschienen Publikationen, mit denen ich mich an anderer Stelle noch genauer befassen möchte, können hier nur einige wenige, aber exemplarische Beispiele vorgestellt werden.

Der Kinderfreund, erschienen zwischen 1776 und 1782, gilt als erste deutschsprachige Kinderzeitschrift; Das Pfennig-Magazin für Kinder wurde ab 1834 vom Verlag Brockhaus herausgegeben; rechts eine Abbildung aus der illustrierten Monatsschrift für die Jugend Mein Österreich III. Jahrgang (1910 auch zum Unterrichtsgebrauch zugelassen)
Die Illustrierte Kinderwelt erschien als Beilage zu 'Mode und Haus'(Ausgabe von 1904); Grüß Gott!, ein Blatt für Österreichs deutsche Jugend (Jahrbuch 1889); Weitbrechts Jugendblätter (Jahrgang 1894).

Neue Jugendblätter, Jahrbuch für das deutsche Haus (dritter Jahrgang 1911); Neuer deutscher Jugendfreund (56. Jahrgang 1904); Jugend-Gartenlaube Illustrierte Zeitschrift zur Unterhaltung und Belehrung (13. Jahrgang, 1900).


2. Die Werbe-Kinderzeitungen

In der Zeit zwischen den Weltkriegen, etwa ab den 20er Jahren entstand eine völlig neue Art von Kinderzeitungen, die sogenannten Werbekinderzeitungen. Sie werden in Darstellungen der Kinderliteratur meist nur am Rande erwähnt. Dennoch kommt ihnen in der Entwicklung der Kinder- und Jugendliteratur eine entscheidende Bedeutung zu, die oft verkannt wird, zumal sie inhaltlich weder von besonderem literarischen noch pädagogischem Wert sind.
Das Wesen dieser meist kurzfristig erscheinenden Publikationen bestand darin, dass Kinderzeitschriften regelmäßig einem bestimmten Produkt beigegeben oder beim Einkauf in einem bestimmten Geschäft den Kindern der Kunden zum Geschenk gemacht wurden. Das Werbekonzept war einfach und erfolgreich. Fanden die Kinder Gefallen an diesen Publikationen, war damit zu rechnen, dass ihre Eltern regelmäßig benötigte Produkte, wie Margarine oder Kaffee einer bestimmten Marke samt beigelegter Kinderzeitung kaufen oder regelmäßig ein bestimmtes Geschäft, wo es die begehrte Kinderzeitung gratis gab, aufsuchen würden. Den Kindern kam in diesem Zusammenhang die Funktion von Kaufmotivatoren zu.
Damit dieses Konzept funktionierte, war aber Voraussetzung, dass vor allem die Kinder Gefallen an den Zeitungen fanden. Erstmals - und das ist das Entscheidende - war nicht das Erforderniss einer von den Erziehenden vorgegebenen, zweckgerichteten und wertorientierten Pädagogik Maßstab für den Inhalt einer kindergerechten Publikation, sondern das, was wir heute den 'Funfaktor' nennen würden. Während es bisher unbestritten und auch Realität war, dass Kinder-und Jugendliteratur primär erzieherischen Zwecken zu dienen hatte, wurde hier in marktorientierter Weise auf die Wünsche des jungen Publikums Bedacht genommen.
Waren es anfänglich noch kleine Heftchen, die vor allem bestimmten Produkten beigelegt wurden, entstanden bald relativ aufwendige, oft bilddominierte Zeitungen, die weiteste Verbreitung fanden und überaus beliebt waren.

In formaler Hinsicht entwickelte sich dieser neue Typ von Kinderzeitungen aus den Bilderbögen des 19. Jhdts und griff auf die Tradition erzählender Bildgeschichten zurück, die bereits seit Jahrzehnten in humoristischen Blättern erschienen. Diese Bildgeschichten, die einen wesentlichen Teil vieler Werbekinderzeitungen ausmachten, bestanden daher aus einer symetrischen Anordnung rechteckiger Bilder mit einem untergesetzten, mehrzeiligen Text, meist in Versform. Erst nach 1945 wurde dieses Konzept zögernd und nur teilweise zu Gunsten einer freieren Gestaltung von Bild und Text aufgegeben.
Hier finden Sie eine Auflistung der wichtigsten Kinderzeitungen der Zwischenkriegszeit
Es war vor allem der in Österreich und der Schweiz etablierte Verlag Steinsberg, der mit seinen Kinderzeitungen Schmetterling, Papagei und Kiebitz den auch nur vordergründigen Anspruch, wertvolle (im tradierten Sinn) Kinderlektüre zu bieten, aufgab und überwiegend auf einen publikumsorientierten Unterhaltungsfaktor setzte.

Besser als jede Beschreibung zeigt ein Vergleich der Titelblätter mit den weiter oben abgebildeten, wie sehr sich manche jener Kinderzeitungen, die in der Zwischenkrieg entstanden, von ihren Vorgängern unterschieden.
Der zweite Weltkrieg setzte dieser Entwicklung aber ein vorläufiges Ende.


3. Die Kinderzeitungen der frühen Nachkriegszeit

Die große Zeit der in der Zwischenkriegszeit entstandenen Werbekinderzeitungen war nach 1945 vorbei. Es gab und gibt solche Publikationen zwar noch bis heute, meist als Werbecomics verschiedener Bankinstitute, aber ohne besondere Breitenwirkung.
Hauptsächlich in Österreich wurden bereits ab 1946 neue Kinderzeitungen herausgegeben. Hier finden Sie eine Aufstellung österreichischer Kinderzeitungen der frühen Nachkriegszeit
Diese Kinderzeitungen schlossen an die großen Vorbilder der Zwischenkriegszeit an, versuchten aber den Unterhaltungswert, mit pädagogischen (und weltanschaulichen) Aspekten zu verbinden, was eine Zeitlang hervorragend gelang.

Die bedeutensten dieser Kinderzeitungen waren Die Wunderwelt, Die Kinderpost und Unsere Zeitung , die unter den vorstehenden Links detailliert beschrieben sind.
Mit ihnen erreichte das Medienformat 'Kinderzeitung' einen letzten großen Höhenpunkt. Ab den 60er Jahren verschwanden Kinderzeitungen in ihrer typischen Zeitungsform aus der Medienlandschaft und mussten zeitgemäßeren periodischen Jugendschriften Platz machen.


4. Die Nachfolger der Kinderzeitungen

In den ersten 15 Jahren nach dem Krieg bestand ein großer Mangel an unterhaltsamer, zeitgemäßer Kinderliteratur. Die Kinderzeitungen dieser Zeit nutzten diese Situatuion und brachten bunt Gemischtes in guter Qualität für Kinder und Jugendliche von etwa 5 bis 15 Jahren.
Die Erholung der Medienlandschaft führte aber zu einem thematisch und altersspezifisch differentierten Angebot. Die traditionellen Bildgeschichten wurden durch durch Comics abgelöst, die in konzentrierter Form im Heftformat erschienen. Schön illustrierte Märchen konnte man nun in wieder in zahlreichen neu erscheinenden Büchern lesen. Das gleiche galt für Fortsetzungsgeschichten, die in den Kinderzeitungen zu finden gewesen waren. Ältere Kinder und Jugendliche wandten sich den neu aufkommenden Jugendmagazinen zu, die als Vorläufer einer entstehenden eigenen Jugendkultur ganz spezielle, diese Altersgruppe interessierende Themen brachten. Für die Kleinen, etwa bis zur zweiten Schulklasse entstanden soganannte Vorchulmagazine, die inhaltlich noch am ehesten an Kinderzeitungen erinnern, auch wenn sie nun ganz anders aussehen.


weiter zu: Service & Navigation
Deutschsprachige Kinderzeitungen der Zwischenkriegszeit Zur Startseite mit dem Verzeichnis aller anlinkbaren Beiträge
Österreichische Kinderzeitungen der Nachkriegszeit Zurück, von wo Du gekommen bist