Exkurs: Die Kirche im Mittelalter

In Westeuropa entwickelten sich staatliche Zensursysteme mit entsprechender Behördenstruktur erst ab dem 18. Jahrhundert. Bis dahin war die römische Kirche Trägerin zensurähnlicher Meinungskontrollen und verfügte mit einem zentralistisch organisierten Klerus allein über die nötige Infrastruktur um ihr Zensursystem länderübergreifend zu exekutieren, wozu sie sich durchaus auch der jeweiligen Staatsmacht bediente. Eine Geschichte der Zensur ist daher immer auch Kirchengeschichte.
Für die Geschichte der Zensur ist der Westen des ehemaligen Imperium Romanum im frühen Mittelalter an sich ohne wesentliche Bedeutung. Da aber in den folgenden Jahrhunderten die römische Kirche vor allem im Westen wieder umfassende zensorische Systeme entwickelte ist es unumgänglich zunächst einen Blick auf die machtpolitische Entwicklung der Kirche im Mittelalter zu werfen.


Justinian ließ die nach ihm benannte umfassende Sammlung des römischen Rechtes, den 'Codex Justinianus' herstellen.

In der orthodoxen Kirche wird Justinian als Heiliger verehrt.

Ab etwa 375 (Beginn der Völkerwanderung) flohen germanische Völker vor den einfallenden Hunnen auf römisches Gebiet, erzwangen die Zuerkennung des Siedlungsrechtes, errichteten auf dem Boden des Imperiums eigene Reiche und wurden von den Römern, welche die Situation weder militärisch noch politisch in den Griff bekamen, schließlich auch ins römische Heer aufgenommen. 476 setzte der Heerführer der germanischen Truppen, Odoaker († 488) den letzten Weströmischen Kaiser Romulus Augustus ab und wurde vom oströmischen Kaiser Zenon (dem er formal noch unterstand) als König von Italien anerkannt. Mit diesem Akt endet das weströmische Kaisertum.
Unter dem oströmischen Kaiser Justinian († 14. November 565 in Konstantinopel) wurden große Teile des alten Römischen Imperiums zurückerobert. Ein letztesmal wurde der Traum vom Römischen Universalreich Wirklichkeit. Die meisten seiner Eroberungen, auch Italien, gingen nach seinem Tod endgültig verloren.
im Westen gab es sodann jahrhundertelang ausser dem Papst, der das Patrimonium Petri (den kirchlichen Landbesitz in und um Rom) zu einem territoriolen Herrschaftsgebilde ausgestaltete und seinen Leitungsanspruch in der Kirche des Westens durchsetzte, keine zentrale Autorität mehr.
Im Osten gab es hingegen den Kaiser als politisches Machtzentrum, der ein entscheidendes Mitspracherecht in kirchlichen Angelegenheiten hatte. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Cäsaropapismus, eine Staatsform, in welcher das Staatsoberhaupt auch Oberhaupt der Kirche und oberster Richter in religiösen und dogmatischen Fragen ist.
Damit begannen sich die Kirchen des Westens und des Ostens auseinanderzuentwickeln.
Die Regierungszeit Justinians (links) stellt den Übergang von der Antike zum Mittelalter dar.

Ab dem fünften Jahrhundert sah sich die Kirche des Westens daher vor ganz andere Probleme gestellt, als jene des Ostens. Die zensorische Unterdrückung abweichender Lehrmeinungen war einerseits nur begrenzt möglich, weil dazu zunächst die Unterstützung oder auch nur Duldung durch die weltlichen Machthaber fehlte und andererseits vorerst auch kein drängendes Problem, weil sich in den neu entstehenden Germanenreichen ein erhebliches kulturelles Gefälle zur antiken Zivilisation zeigte, zumal nur wenige von den neuen Herrn lesen konnten. Bibliotheken gab es, wenn überhaupt, nur in den Klöstern und damit ohnehin unter der Kontrolle der Kirche.

  • Um in einer Zeit ständig wechselnder militärischer Bedrohungen und politischer Wirren eine ausreichende wirtschaftliche und organisatorische Struktur aufrechtzuerhalten schuf die Kirche in und um Rom ein territoriales Herrschaftsgebilde, das auch eine gewisse Schutzfunktion ausüben konnte. Daraus entwickelte sich später der Kirchenstaat.

  • Da die Kirche des Westens ihren Schutzherrn, den römischen Kaiser, dem auch in kirchlichen Angelegenheiten oft das letzte Wort zugekommen war, faktisch verloren hatte, musste sie ihr Verhältnis zur weltlichen Macht neu definieren.

  • Gleichzeitig strebte die Kirche aber danach, wieder einen mächtigen Schutzherrn zu finden und neuerlich eine dauerhafte Verbindung mit der Staatsmacht einzugehen. Das gelang schließlich auch mit den Herrschern des Frankenreiches.

  • Parallel dazu strebte die Kirche des Westens verstärkt danach, den Vorrang des Papstes als Oberhaupt der Gesamtkirche durchzusetzen. Dadurch geriet sie notwendigerweise in Konflikt mit der Kirche des Ostens, deren Patriarchen gleichrangig waren.

Die Entstehung des Kirchenstaates

Kaiser Konstantin I. an das Volk von Rom; Rom, Juli 312

Einem jeden soll es freistehen, bei seinem Tode der heiligen katholischen und ehrwürdigen Kirche von seinen Gütern, was er selbst will, zu hinterlassen, und sein Letzter Wille soll nicht angefochten werden.

Seit dem 4. Jahrhundert wuchs der Grundbesitz der römischen Kirche in Italien durch Erbschaft und Schenkungen. Papst Gregor I. (Bild oben) gestaltete diese, Patrimonium Petri genannten Besitzungen durch eine strafe Zentralverwaltung zu einer Art territorialen Herrschaft um.
Zu Anfang des 8. Jahrhunderts kam es zu Auseinandersetzungen zwischen der weströmischen Kirche, den Langobarden und dem oströmischen Kaiserreich, in deren Folge viele Besitzungen wieder verloren gingen. Es verblieb lediglich der Stadtbezirk Rom als Herrschaftsgebiet. Vermutlich in dieser Zeit entstand die

Konstantinische Schenkung

Die Konstantinische Schenkung ist ein gefälschtes Edikt, welches die Kirche dazu verwendete, um ihren territorialen Ansprüchen und überhaupt ihren Leitungsanspruch im ehemaligen Westreich Nachdruck zu verleihen. In diesem Edikt überträgt der Römische Kaiser Konstantin I. an Papst Sylvester und seine Nachfolger die Oberherrschaft über Rom, Italien und das gesamte Weströmische Reich. Gleichzeitig wird ausgesprochen, dass dem Papst der Vorrang vor den anderen Patriarchaten zukommt.

Kaiser Konstantin hält
Papst Sylvester die Zügel


Die Konstantinische Schenkung wurde erst im 15. Jahrhundert als Fälschung nachgewiesen und von der Kirche erst im 19. Jahrhundert widerstrebend als solche anerkannt. In politischer Hinsicht war die 'Donatio Constantini' aber weit mehr als eine - aus heutiger Sicht - plumpe Fälschung um einen Besitztitel für die päpstlichen Ländereien zu schaffen.
Die Konstantinische Fälschung ist ein politisches Dokument ersten Ranges. Es formuliert hochoffiziell im Rahmen eines (vorgeblich) kaiserlichen Erlasses in umfassender und programmatischer Form den absoluten Machtanspruch der römischen Kirche und des Papstes, sowohl in der Gesamtkirche als auch in weltlichen Belangen.

"So haben Wir bestimmt, ... daß mehr als Unsere Kaisergewalt und Unser irdischer Thron der hochheilige Stuhl Petri glorreich verherrlicht werde, indem Wir ihm die Macht, den Ehrenrang, die Kraft und die Ehrenbezeichnungen verleihen, die einem Kaiser zukommen...

Und wir beschließen und setzen fest, daß er die Vorherrschaft sowohl über die vier Hauptbischofssitze von Antiochia, Alexandria, Konstantinopel und Jerusalem als auch über alle Kirchen Gottes auf dem ganzen Erdkreis innehabe;...

Zur Nachahmung Unserer kaiserlichen Gewalt, ... haben Wir sowohl, wie vorher gesagt, Unseren Palast als auch die Stadt Rom, alle zu Italien oder dem Abendland gehörigen Provinzen, Orte und Städte dem oftgenannten hochseligen Oberpriester, Unserem Vater Silvester, dem Universalpapst, übertragen und seiner oder seiner Nachfolger im Papsttum Gewalt und Botmäßigkeit überlassen...

Wir haben es deshalb für angemessen erachtet, Unsere Gewalt und Unseren Herrschersitz in den Osten zu verlegen und in der Provinz Byzanz an wohlgelegenem Orte Unserem Namen eine Stadt zu bauen und dort Unseren Thron aufzurichten. Denn wo der Fürst der Priester und das Haupt der christlichen Religion von dem himmlischen Kaiser hingesetzt worden ist, da kann billigerweise der irdische Kaiser keine Herrschaft ausüben."

Die Expansionsbestrebungen der Langobarden in Italien bewogen Papst Stephan II. 754 dazu, die Franken als Gegenleistung für die kirchliche Legitimierung der Karolinger als Königsgeschlecht um Schutz zu bitten.
Pippin III. versprach in der Urkunde von Quierzy 754, die von den Langobarden zurückeroberten Gebiete dem Nachfolger Petri zu übereignen. Diese Urkunde wird als

Pippinsche Schenkung

bezeichnet und bildet die Grundlage des Kirchenstaates.

(Im 15. Jahrhundert kamen weitere Gebiete um Parma, Modena, Bologna, Ferrara, Romagna und Perugia hinzu. Der Kirchenstaat erreichte unter Papst Julius II. seine größte Ausdehnung.
1809 säkularisierte Napoleon den Kirchenstaat, der im Königreich Italien aufging.
Erst 1929 wurde unter Mussolini die Frage des Kirchenstaates in den Lateranverträgen endgültig geklärt. Nunmehr beschränkt sich das weltliche Territorium der römischen Kirche auf die Vatikanstadt.)


Parallel mit der Ausbildung eines territorialen Herrschaftsgebietes in Italien formulierte das Papsttum, welches faktisch nicht mehr unter dem Schutz und der Oberhoheit des römischen Kaisers stand, seine Stellung gegenüber der weltlichen Macht neu.

In dem Maße, in dem die Macht des byzantinischen Kaisers in Rom und Italien schwand, versuchte sich die römische Kirche vom Einfluss des byzantinischn Kaisertums freizumachen.
Ende des 5. Jahrhunderts wurde erstmals von Papst Gelasius I. in einem Brief an Kaiser Anastasios I. in Konstantinopel erklärt, Jesus Christus habe zur Regentschaft in der Welt an den Papst und den Kaiser zwei Schwerter verliehen, eines dem Kaiser zur Ausübung der weltlichen Herrschaft, eines aber dem Papst zur Herrschaft über die geistlichen Dinge. Diese Auffassung, die als Theorie der zwei Schwerter bezeichnet wird, sollte in den folgenden Jahrhunderten den deutschen Kaisern gegenüber an Brisanz gewinnen.

Zunächst versuchte die Kirche des Westens aber, sich mit den neuen weltlichen Herren zu arrangieren, Einfluss auf sie zu gewinnen und ihren Schutz zu erlangen.

Das Heilige Römische Reich

486 besiegten die Franken unter König Chlodwig vom Niederrhein aus die Römer in Gallien. In den Jahren bis 534 besiegten sie die Alemannen, Westgoten, Thüringer und Burgunder und beherrschten schließlich einen weiten Teil Zentraleuropas.
Die Merowinger, das älteste fränkische Königsgeschlecht, wurde von den Inhabern eines hohen Hofamtes, den sogenannten Hausmeiern entmachtet. 752 wurde der letzte merowingische König von Pippin III abgesetzt.
In dieser Situation ging Pippin, der nach germanischem Verständnis nicht über das ererbte 'Königsheil' verfügte ein Bündnis mit dem Papsttum ein: Papst Bonifatius legitimiert Pippin, indem er ihn nach alttestamentarischem Vorbild zum König salbte. Die Gegenleistung Pippins bestand in einer Schutzzusage für den Papst, der in seiner Stadt Rom von den Langobarden bedrängt wurde und der sogenannten Pippinschen Schenkung, die die Grundlage für den Kirchenstaat bildete.

Mit der Krönung des Frankenkönigs Karl des Großen zum Kaiser durch Papst Leo III. im Jahr 800 erhob Karl den Anspruch auf die Nachfolge des antiken römischen Imperiums.
Bald nach dem Tod Karl des Großen zerfiel das Frankenreich in das Westfrankenreich auf dem Boden des heutigen Frankreichs und in das Ostfrankenreich auf dem westlichen Teil des heutigen Deutschlands. Die Kaiserwürde verblieb beim Ostfrankenreich. Otto I. der Große ließ sich 962 im Zuge italienischer Eroberungen in Rom zum Kaiser krönen. Der Kaiser wurde in jener Zeit als Stellvertreter Gottes auf Erden angesehen. Otto I. schuf als Schutzherr und weltliches Oberhaupt der Kirche das Ottonische Reichskirchensystem, indem er Männer seines Vertrauens zu Bischöfen ernannte und mit weltlichen Herrschaften belehnte. Diese 'Laieninvestitur' führte letztlich mit dem nach Unabhängigkeit und Vormacht strebenden Papsttum zu einem Machtkampf, der im Investiturstreit gipfelte.
(Nach dem Investiturstreit von 1075 bis 1122 verlieh Friedrich I., genannt Barbarossa, dem Reich den Titel sacrum imperium (Heiliges Römisches Reich), um das Gottesgnadentum (dei gratia) des Kaisers gegenüber dem Papst zu betonen.
Im Spätmittelalter wurde das Reich als 'Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation' bezeichnet, weil die militärische Vormachtsstellung in Italien bzw. Rom verlorengegangen war.)

Im Januar 1076 befahl Kaiser Heinrich IV in bewährter Tradition Papst Gregor sein Amt niederzulegen:
Heinrich nicht durch Anmaßung, sondern durch Gottes gerechte Anordnung König, an Hildebrand, nicht mehr Papst, sondern falscher Mönch....
Aber du hast unsere Demut für Furcht gehalten und dich daher nicht gescheut, dich sogar gegen die uns von Gott verliehene königliche Gewalt zu erheben; du hast zu drohen gewagt, du würdest sie uns nehmen, als ob in deiner und nicht in Gottes Hand Königs- und Kaiserherrschaft lägen...
Ich, Heinrich, durch die Gnade Gottes König, sage dir zusammen mit allen meinen Bischöfen: Steige herab, steige herab!

Die Antwort Gregors ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig:
.. untersage ich, dem Sohne des Kaisers Heinrich, der sich gegen deine (Gottes) Kirche in unerhörtem Stolze erhoben hat, die Herrschaft über das ganze Reich der Deutschen und über Italien, und ich löse alle Christen von den Banden des Eides, den sie ihm geschworen haben . Gleichzeitig verhängte Gregor über Heinrich den Kirchenbann

Die Lehre von den zwei Schwertern

Nach der Jahrtausendwende wurde die Zwei-Schwerter-Theorie - diesmal den deutschen Kaisern gegenüber - veschärft interpretiert. Danach habe Gott beide Schwerter dem Papst anvertraut, der aber das weltliche Schwert an die jeweiligen Fürsten weitergibt. Damit wird klargestellt, dass der Kaiser nicht von Gott (von Gottes Gnaden), sondern vom Papst eingesetzt wird und der Papst die Verleihung des weltlichen Schwertes widerrufen und damit den Kaiser absetzen könne. Dieser Anspruch findet im dictatus papae ( Papst Gregors VII., 1075) seinen Ausdruck.

Der Kaisers hingegen erhob den Anspruch, von Gottes Gnaden eingesetzt zu sein und die Oberhoheit über die Kirche auszuüben.
Noch im Jahr 1046 wurden unter Berufung auf das Ottonische Reichskirchensystem von der Synode von Sutri auf Wunsch Kaiser Heinrichs III. drei Päpste abgesetzt und Klemens II. zum Papst gemacht.
Der Papst, erhob seinerseits Anspruch darauf über der weltlichen Macht zu stehen, den Kaiser zu krönen und ihn erforderlichenfalls auch wieder absetzen zu können.
Zur unvermeidlichen Machtprobe kam es im sogenannten

Investiturstreit

Das ottonisch-salisches Reichskirchensystem war von Otto I., dem Großen eingeführt worden. Um die Stellung des Kaisers gegenüber den weltlichen Fürsten, die bemüht waren ihr Lehen in erbliches Eigengut zu wandeln, zu stärken, wurden kaisertreue Männer vom Kaiser zu Bischöfen ernannt und mit weltlichen Lehen betraut, da sich bei ihnen die Frage der legitimen Erbfolge nicht stellte und nach ihrem Tod das Lehen wieder an den Lehnsherrn zurückfiel.
Das an Selbstvertrauen gewinnende Papsttum wollte diese Laieninvestitur geistlicher Würdenträger nicht mehr dulden.
Hauptkontrahenten waren Papst Gregor VII. und Kaiser Heinrich IV.

Heinrich als Büßer vor der Burg von Canossa
Ausschnitt aus einem Holzschnitt von Oskar Pletsch: 1856


8...Dass er (der Papst) allein die kaiserlichen Herrschaftszeichen verwenden kann.
9... Dass alle Fürsten nur des Papstes Füße küssen.
12... Dass es ihm erlaubt ist, Kaiser abzusetzen.
17... Dass kein Rechtssatz und kein Buch ohne seine Autorisierung für kanonisch gilt.
18... Dass sein Urteilsspruch von niemandem widerrufen werden darf und er selbst als einziger die Urteile aller widerrufen kann.
22... Dass die römische Kirche niemals in Irrtum verfallen ist und nach dem Zeugnis der Schrift niemals irren wird.

Der Gang des Königs nach Canossa

Der Kirchenbann, den der Papst im Zuge des Investiturstreites über den König verhängte, zeitigte Wirkung: Sächsische Fürsten, süddeutschen Fürsten und ein großer Teil des Episkopats bildeten eine feindliche Koalition gegen den König. Auf dem Fürstentag zu Tribur wurde der Entschluss gefasst, den Papst zu einer Versammlung in Augsburg im nächsten Jahr einzuladen. Der König müsse ein Jahr nach seiner Bannung vom Bann wieder loskommen, andernfalls würde ein neuer König gewählt.
Obwohl die Alpenpässe von seinen Gegnern blockiert waren, konnte der König unter abenteuerlichen Umständen die winterlichen Alpen überqueren und, indem er vor der Burg Canossa, wo sich der Papst aufhielt, Buße tat, vom Papst die Loslösung vom Bann erreichen.
Im März 1077 wählte die fürstliche Opposition dennoch einen neuen König. Im Konflikt zwischen den zwei konkurrierenden deutschen Königen, den Heinrich letztlich auf dem Schlachtfeld für sich entschied, verzichtete Papst Gregor jedoch auf ein Eingreifen. Als sich der Streit um die Laieninvestitur neuerlich verschärfte, verhängte Gregor abermals den Kirchenbann über Heinrich.
Nunmehr hatte sich das Blatt aber zugunsten des Königs gewendet.
Als ein Ausgleich mit Gregor nicht zustandekam, wurde dieser seinerseits auf einer Synode als Majestätsverbrecher abgesetzt und exkommuniziert. 1084 wurden vom neuen Papst Heinrich und seine Gemahlin mit der Kaiserkrone gekrönt.
Das Problem schwelte aber weiter. Erst 1122, mit dem Wormser Konkordat konnte zwischen Papst Kalixt II. und Heinrich V. ein Kompromiss erzielt werden.

Durch diese Erreignisse hatte das Kaisertum mehr gelitten, als das Papsttum. Denn die noch aus dem germanischen Verständnis herrührende sakrale Bedeutung des Herrscheramtes war weitgehend verloren gegangen. Andererseits blieb die Kirche fest im Staatsgefüge verankert, stellte sogar geistliche Reichsfürsten und hatte ihre Machtansprüche unmissverständlich formuliert.

Die Päpste machten ihre absoluten Machtansprüche aber auch innerkirchlich geltend, wodurch sie notwendigerweise mit dem Episcopat der byzantischen Kirche in Konflikt gerieten.

Papst Leo I.
(Papst 440 - 461)



Papst Leo I, unter dessen Pontifikat die Hunnen in Italien einfielen und die Vandalen Rom plünderten, musste den Niedergang der kaiserlichen Macht im Weströmischen Reich erleben. Er nahm den ursprünglich den römischen Kaisern zustehenden Titel eines 'Pontifex Maximus' an und betonte damit den Führungsanspruch der Päpste in Nachfolge des Kaisers.

Rom und Byzanz

Im zusammenbrechenden Westen des Reiches entwickelte sich das Papsttum, in Konstantinopel, wo die Verhältnisse stabil blieben, der Kaiser zur kirchlichen Autorität.
In den folgenden Jahrhunderten vertiefte sich die Entfremdung zwischen der östlichen und westlichen Kirche, die sich dennoch als Einheit verstanden, bis zur endgültigen Trennung im Jahre 1054 .
Ausschlaggebend für die Trennung waren nicht theologische Differenzen, sondern der absolute Führungsanspruch des Papstes in der Gesamtkirche und sein faktischer Machtzuwachs.
Begründet wird dieser Anspruch mit einer Stelle aus dem Matthäus- Evangelium (Kapitel 16, Vers 18- 19):

"Tu es Petrus et super hanc petram aedificabo Ecclesiam meam et portae inferi non praevalebunt adversum eam." (Du bist Petrus und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. )

Seit Leo I. führten die römischen Bischöfe die Bezeichnung "Pontifex Maximus", die vorher die römischen Kaiser als oberste römische Priester getragen hatten.
Bereits Anfang des 8. Jahrhunderts wurde in der Konstantinischen Schenkung der Führungsanspruch des Papstes in der Gesamtkirche betont:

"Und wir beschließen und setzen fest, daß er (der Papst) die Vorherrschaft sowohl über die vier Hauptbischofssitze von Antiochia, Alexandria, Konstantinopel und Jerusalem als auch über alle Kirchen Gottes auf dem ganzen Erdkreis innehabe;..."

Als die Normannen das bisher byzantinische und großteils griechischsprachige Süditalien eroberten versprach Papst Leo IX. unter der Bedingung Hilfe, dass die bisher östlichen Kirchen dieses Gebiets den westlichen Ritus übernehmen und damit faktisch die Vorherrschaft der lateinischen Kirche, das heißt des Papstes, anerkennen sollten. Der zur Klärung dieser Frage nach Konstantinopel entsandte päpstliche Unterhändler erklärte, der Papst habe auch die Jurisdiktion über den Patriarchen von Konstantinopel. Volk und Klerus von Konstantinopel waren über diese Anmaßung empört. Als keine Einigung zustandekam, legte der päpstliche Unterhändler am 16. Juli 1054 eine Bulle mit der Exkommunikation von Patriarch Kerullarios und weiterer orthodoxer Kleriker auf den Altar der Hagia Sophia. In dieser Bulle wird die orthodoxe Kirche als "Quelle aller Häresien" bezeichnet. Im Gegenzug wurden er und seine Begleiter seinerseits von Kerullarios exkommuniziert.
Die dadurch bewirkte Spaltung in eine römisch-katholische und östlich-orthodoxe Kirche wird als Morgenländisches Schisma (1054) bezeichnet.
Im Dictatus Papae von 1075 gipfelte schließlich der universale Primatsanspruch des Bischofs von Rom und machte einen Ausgleich mit Byzanz unmöglich.

Das Ende Ostroms

Nach dem Selbstverständnis der Byzantiner waren sie nicht etwa Nachfolger des Römischen Reiches, sondern das Römische Reich an sich. Dies war staatsrechtlich auch der Fall. Denn Byzanz existierte in ungebrochener Fortsetzung des östlichen Teils des Imperiums in einem intakten, an die Spätantike erinnernden Zustand, der sich erst allmälich veränderte.
Der Kaiser herrschte de facto uneingeschränkt über Reich und Kirche. Der Byzantinische Staat war gekennzeichnet durch eine Mischung aus römischem Staatswesen, griechischer Kultur und christlichem Glauben und fühlte sich noch immer dem Gedanken der antiken Universalmacht verpflichtet.
Das Ostreich überdauerte den Westen des Imperiums immerhin um etwa ein Jahrtausend. Es waren letztlich christliche Kreuzritter, die seinen Untergang einleiteten.
Unter dem Einfluss Venedigs eroberte der vierte Kreuzzug 1204 Konstantinopel, gründete das kurzlebige Lateinische Kaiserreich und schwächte die byzantinische Macht dauerhaft.
Byzanz wurde zu einem von inneren Unruhen destabilisierten Kleinstaat und konnte der osmanischen Expansionspolitik nur mehr wenig entgegensetzen. Mehrmals ersuchte Byzanz im Westen um Hilfe und bot dafür sogar die Kirchenunion an, was jedoch am Widerstand der byzantinischen Bevölkerung scheiterte. Konstantinopel wurde am 29. Mai 1453 nach knapp zweimonatiger Belagerung von den Osmanen unter Mehmed II erobert und drei Tage lang geplündert. Der letzte byzantinische Kaiser, Konstantin XI., fiel während der Kämpfe um die Stadt. Die Hagia Sophia, die größte Kirche der Christenheit, wurde in eine Moschee (heute ein Museum) umgewandelt. Konstantinopel (Byzanz) führt heute als größte Stadt der Türkei den Namen Istambul.



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