In der Tradition der Zeitreiseliteratur haben sich verschiedene Möglichkeiten herausgebildet, wie der Held der Geschichte aus seiner natürlichen, durch den Zeitpunkt seiner Geburt bestimmten Zeitepoche in eine andere Zeit versetzt werden kann.
Ein unnatürlich langer Schlaf, der den Helden erst in einer fernen Zukunft erwachen läßt, ist der früheste, von den Erkenntnissen der modernen Physik über die Natur von Raum und Zeit noch unberührte Ansatz um den Zeitenwechsel zu bewältigen. Genaugenommen handelt es sich dabei noch um keine echte Zeitreise, denn der Protagonist bricht nicht aus dem Zeitstrom aus, sondern hat nur eine über das übliche Maß hinausgehende Lebensdauer, die er allerdings zum größten Teil schlafend verbringt.
Sébastian Mercier veröffentlichte 1771 seinen Roman "Das Jahr 2440" , in welchem sein Held nach einem mehrhundertjährigen Schlaf im Paris des 25. Jhdts erwacht und eine zu ihrem Vorteil veänderte Gesellschaft vorfindet, die sich die Errungenschaften der Naturwissenschaften zunutze macht. Dieses Werk betrachten manche als den ersten utopisch- technischen Zukunftsroman. Es handelt sich jedenfalls um ein bedeutendes Beispiel einer Staatsutopie, die der Autor in der Zukunft angesiedelt und durch einen 'Zeitreisenden' dem Leser nahegebracht hat.
Auch in dem 1888 erschienen Buch "Looking backward 2000 - 1887" des Amerikaners Edward Ballamy erwacht der Held nach einem langen Schlaf, in den er durch einen Unfall versetzt wurde, in der Zukunft. Die Gesellschaft, die er vorfindet, ist streng zentralistisch organisiert und erinnert an ein kommunistisches Staatsmodell.
Hingegen läßt William Morris in seinem 1891 erschienen Roman "Nachrichten aus Nirgendwo" seinen Helden im 21. Jahdt. erwachen und eine Gesellschaft vorfinden, in welcher jede staatliche Organisation aufgegeben wurde.
Auch H.G. Wells hatte sich schon nachdem seine berühmte 'Zeitmaschine' erschienen war, dem Thema Zeitreise noch einmal mit dem Schlafmotiv angenähert. In seinem 1899 erschienen Buch "Wenn der Schläfer erwacht" lässt er seinen Helden nach einem zweihundertjährigen Schlaf im 21. Jhdt erwachen.
Das erste Zeitreiseabenteuer, das sich auch heute noch - vor allem als Jugendbuch - ungebrochener Beliebtheit erfreut, ist der 1889 erschienene Roman von Mark Twain "Ein Yankee an König Artus Hof". Hier genügt ein kräftiger Schlag auf den Kopf um den Helden der Geschichte im englischen Frühmittelalter aufwachen zu lassen, wo er alsbald daran geht Sprengstoffe, moderne Schusswaffen, Elektrizität und andere Errungenschaften des Industriezeitalters einzuführen und die Macht an sich zu reissen. Trotz komischer Elemente, wie etwa den Ersatz von Pferden durch Fahrräder ist der Roman eine bittere Kritik am Geschäftssinn und der Technikgläubigkeit zur Zeit seines Entstehens. Zwangsläufig scheitert der Held und Merlin der Zauberer versetzt ihn in einen vielhundertjährigen Schlaf, aus dem er erst wieder in seiner eigenen Zeit erwacht. Diese Geschichte ist im Kern eine pessimistische Sozialutopie, deren besonderer Reiz darin liegt, dass der Held nicht in die Zukunft, sondern ausnahmsweise in die Vergangenheit reist. Die Neuerung, die durch die humoristische Erzählweise zunächst gar nicht so besonders in Auge fällt, besteht darin, dass die Hauptperson bei ihrer Reise in die Vergangenheit die Zeitlinie verlässt und sich tatsächlich in eine andere Zeitepoche begibt. Für die Rückkehr wird allerdings wieder das Motiv des langen Schlafes verwendet. Wenige Jahre später wird H.G. Wells mit seiner Zeitmaschine das Schlafmotiv aufgeben und 'echte' Zeitreisen in die Literatur einführen.
Einen anderen, originellen Ansatz hat Henry Rider Haggard gefunden, um seinen Helden in die Vergangenheit zu versetzen. Haggard (1856 - 1925) ist einer der frühen Vertreter jener Literaturgattung, die man heute als 'Fantasy' bezeichnet. Noch heute bekannt sind seine Erzählungen "König Salomons Diamanten", sowie die Erzählzyklen um "Sie, der man gehorchen muss" und "Allan Quatermain, der Jäger". Die Geschichten um Allan Quatermain spielen im Südafrika das 19. Jhdt. Haggard verfasste aber auch historische Romane, die weit in der Vergangenheit liegen und wollte dabei offenbar auf seinen bewährtesten Protagonisten nicht verzichten. Ausgehend vom Gedanken der Wiedergeburt, läßt er Allan eine geheimnisvolle Droge finden, die es ihm ermöglicht, im Drogenrausch die Abenteuer früherer Inkarnationen zu erleben: "Der Allan der Antike" (im alten Ägypten), "Allain Quatermain und die Eisgötter" (in der Steinzeit).
In der moderneren Version des Schlafmotivs handelt es sich um keinen Zauberschlaf, sondern man friert den potentiellen Zeitreisenden, bisweilen auch gegen seinen Willen, einfach ein. So beispielsweise geschehen mit Sylvester Stallone in dem unterhaltsamen Film "Demolition Man" (1993), in dem ein strafweise eingefrorener Supercop aufgetaut werden muss um seinen völlig verweichlichten Kollegen in der Zukunft im Kampf gegen einen Superbösewicht behilflich zu sein. Eine sentimentale Version desselben Themas bietet der Film "Forever Young", In welchem Mel Gibson nach 50 Jahren aufgetaut wird und sich auf die Suche nach seiner einstigen Liebe macht.
Abgesehen davon, hat das Schlaf- und Traummotiv aber in der Zeitreiseliteratur weitgehend ausgedient. Späte Anklänge finden sich nur noch in märchenhaften Erzälungen, wie beispielsweise in dem wenig bekannten, aber spannenden Jugendbuch
"Vier denkwürdige Tage" von Auswald- Heller (Verlag für Jugend und Volk, 1949 ), in welchem ein 15 jähriger Junge mit Hilfe eines Zaubers einschläft und für vier Tage in das 16. Jahrhundert an den Hof des Erzherzogs Ferdinand von Tirol versetzt wird.
Im übrigen aber ist das Zeitalter der Maschinen und der naturwissenschaftlich erklärten Zeitreisen angebrochen.
Mark Twains Zeitreise, "Ein Yankee an König Artus Hof", das in der Tradition der negativen Sozialutopien als Kritik an der Technikgläubigkeit seiner Zeit gedacht war, entwickelte sich zu einem Jugendbuchklassiker. Die Abbildung zeigt eine Comicversion aus den 60er Jahren. |
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