Ab dem ersten Drittel der 50er Jahre begannen sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Österreich zu ändern. Einerseits war ein wirtschaftlicher Aufschwung festzustellen, der einen bescheidenen Wohlstand ermöglichte, andererseits traten vermehrt Frauen ins Berufsleben ein um eben diesen Wohlstand zu sichern. In jener Zeit waren die sogenannten 'Schlüsselkinder' ein vielzitiertes Schlagwort. Man verstand darunter Kinder, die den Wohnungsschlüssel hatten - manchmal an einer Schnur um den Hals gebunden - und die sich nach der Schule, weil ja niemand zu Hause war, selbst versorgen mussten. Diese Situation führte dazu, dass viele Kinder eigenes Taschengeld hatten, über das sie bis zu einem gewissen Grad selbst verfügen konnten - etwas das in der Zwischenkriegszeit noch keineswegs selbstverständlich war.
Damit wurden Kinder, wenngleich noch in bescheidenem Rahmen als Käufer interessant und Zielgruppe von Werbemaßnahmen.
Man griff dabei auf bewährte Strategien zurück und sprach den Spiel und Sammeltrieb der Kinder an. So wurde sehr häufig Süßigkeiten (es gab sonst nicht viel, das Kinder damals um ihr Taschengeld kaufen konnten) von eher bescheidener Qualität ein Spielzeug oder eine Sammelbild beigegeben, was sich sehr absatzfördernd auswirkte. In sogenannten 'Zuckerlgeschäften' war das ein vertrautes Bild: Beigaben waren zB.: Kleine Plastikautos, Flugzeuge, Indianerfiguren, Ritterfiguren, Sammelbilder und dergleichen mehr, alles zum Sammeln. Dem Erfindungsreichtum waren kaum Grenzen gesetzt. Es gab z.B. Diapositive, die durch Zerschneiden einer 35 mm Spielfilmkopie hergestellt wurden und irgendwelchen Zuckerln beigelegt waren. Hatte man eine bestimmte Anzahl solcher Bilder beisammen, bekam man im Geschäft - soferne gerade vorrätig - gratis einen guckiähnlichen Betrachter; es empfahl sich daher, die erforderliche Anzahl Zuckerlpackungen auf einmal zu kaufen und den Betrachter gleich mitzunehmen. Es ist sicher, dass unter anderen Umständen selbst naschhafte Kinder niemals in dem Maße Süßigkeiten gekauft hätten, die sie vielleicht gar nicht besonders mochten; wichtig waren die beigelegten Sammelobjekte.
Nun mag man vielleicht meinen, dass es sich dabei doch nur um Kleinigkeiten gehandelt hat. Tatsache ist, dass viele Kinder auf diese Weise sehr rasch ihr Taschengeld los wurden.
Einem harten, flachen Stück Kaugummi wurde in einem verschlossenen Papiersäckchen ein Sammelbild beigelegt. Die Serien waren umfangreich und der Käufer wusste natürlich nicht, welches Bildchen er bekam. Die Enttäuschung war gross, wenn er das entsprechende Bild schon hatte und es musste eben noch ein Päckchen gekauft werden. Der Kaugummi selbst, der bestenfalls sonderbar schmeckte, war dabei nicht besonders wichtig. Ein Päckchen kostete damals einen Schilling, was für ein Kind nicht so wenig war. Zum Vergleich: In der zweiten Hälfte der 50er betrug die Lehrlingsentschädigung im ersten Lehrjahr etwa 30 Schilling in der Woche. |
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Was ich hier erzählt habe, ist keineswegs nur von nostalgischem Interesse, denn dieselben Methoden funktioniern Jahrzente später noch immer bestens. Auch heute noch kaufen Kinder in verschlossenen Säckchen Sammelbilder - nur die Motive haben sich geändert - um einen Preis, der in keiner vernünftigen Relation zu den Herstellungskosten steht und hoffen endlich, das noch fehlende, besonders seltene Bild zu bekommen. Eine Fastfood-Kette hinwiederum schenkt ihren jungen Kunden recht aufwendige Plastikfiguren, die sich gut zum Sammeln eignen. |
Comics wurden kaum beworben, weil die Vertreiber von Comics tunlichst danach trachteten nicht die Aufmerksamkeit der Jugendschützer auf sich zu ziehen. Dennoch wurden auch hier indirekt sehr wirkungsvolle Werbemaßnahmen angewendet. Ein schönes Beispiel dafür ist das sogenannte Piccoloformat. Genaugenommen ist dieses Format zum Lesen denkbar ungeeignet. Auf einer Seite können maximal zwei Bilder untergebracht werden, das ganze Heftchen ist in wenigen Minuten durchgeblättert: Sehr wenig Lesevergnügen für damals 1,50 Schilling. Aber eine Serie bestand oft aus hunderten sorgfältig durchnummerierten Einzelheften, deren Titelbilder im Gegensatz zum Inhalt bunt und relativ aufwendig gestaltet waren. So betrachtet waren diese Hefte ein ideales Sammelobjekt. Inhaltlich wurde eins draufgesetzt: Jedes Heft endete an einer Stelle, die besonders spannend war oft beispielswiese mit der Frage: Wird Akim sich retten können?, Ist Sigurd verloren? |
Mit Zunahme des Warenangebotes und der Zahlungskraft der Leute wurde auch die Werbung in Richtung Kinder und Jugendliche intensiviert. In der Wunderwelt findet man ab Anfang der 70er zahlreiche Werbeeinschaltungen für Spielzeug, Bücher, Schulbedarf, Malstifte, Klebstoff, Musikinstrumente u. dgl. aber auch von diversen Banken, die zum Schulsparen einluden. Diese Werbung richtete sich indifferent sowohl an die Kinder als auch an deren Eltern. Das Bemerkenswerte daran ist, dass die Inserenten eine Werbeeinschaltung in einem für Kinder bestimmten Medium offenbar bereits für durchaus zielführend erachteten. |
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Die Zeiten haben sich geändert. Kinder und Jugendliche sind zu einer bedeutenden Konsumentenschicht geworden, für die ganze Industriezweige produzieren. Angefangen von Markenbekleidung bis hin zu elektronischen Medien aller Art. Dementsprechend hat sich auch die Werbung auf diese Käuferschicht verstärkt eingestellt, fast möchte man sagen eingeschossen. Längst genügt es nicht mehr, den Spiel und Sammeltrieb anzusprechen. Modische Trends werden kreiiert und gruppendynamische Prozesse manipuliert um den Kids klarzumachen, was man haben muss, um 'in' zu sein. Während allgemein eine Lockerung des Wettbewerbsrechtes angestrebt wird, zeichnet sich in diesem Bereich zunehmend die Notwendigkeit einer Regulierung unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Jugendschutzes ab. |
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