Helden
Die Rede ist dabei nicht von 'dem Helden der Geschichte' an sich, also dem Protagonisten einer Handlung sondern von jenen Helden, die wir in den 'Götter-und Heldensagen des klassischen Altertums' finden, deren Lektüre und Kenntnis für jeden Gymnasiasten bis vor nicht allzulanger Zeit Pflicht war. Dabei werden Mythologie, also religiöse Inhalte ohne exakte Trennung mit den Erzählungen von den Heroen, also den Helden vereinigt
Schon die titelmäßige Verbindung von Göttern und Helden legt nahe, dass es sich bei diesen Helden nicht bloß um tapfere, aber 'gewöhnliche Sterbliche' gehandelt hat. Sie stammten nicht selten von einem Gott ab, der eine Sterbliche verführt hatte, legten sich bisweilen sogar mit einzelnen Göttern an, verrichteten unglaubliche Heldentaten, zu denen ein 'gewöhnlicher Sterblicher' nicht in der Lage gewesen wäre, und wurden manchmal nach ihrem Tod selbst als Halbgötter in den Olymp versetzt und von den Menschen in Tempeln verehrt.
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Ein bekanntes Beispiel dafür ist der griechische Held Herakles oder Herkules, wie ihn die Römer nannten. Er war der Sohn des Zeus und der Alkmene und erwürgte mit übermenschlicher Kraft schon als Säugling in der Wiege zwei Schlangen, die ihm die eifersüchtige Frau des Zeus, Hera, geschickt hatte, um ihn zu töten.
Plastiken vom Michaelertor der Wiener Hofburg. Links: Herkules und die Amazonenkönigin Hyppolita. Rechts: Herkules steigt in die Unterwelt und bändigt den Höllenhund Zerberus
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Unter dem Schutz der Göttin Athene verrichtete Herkules die berühmten zwölf Taten, unter anderem die Bändigung des Höllenhundes Zerberus in der Unterwelt, um sich aus der Knechtschaft freizukaufen.
Auch danach kam er nicht zur Ruhe, seine Abenteuerlust trieb ihn zu neuen Streifzügen und Heldentaten, die ihn manchmal auch in Konflikt mit den Göttern brachten. Als er die Mitte seines Lebens bereits durchschritten hatte, kam er durch die späte Rache eines von ihm getöteten Zentauren ums Leben, wurde in den Olymp erhoben und mit Hebe, der Göttin der Jugend verheiratet.
In den Erzählungen von Herakles finden wir Themen wie Schuld und Sühne, Bewährung und Erlösung angesprochen; letztlich wird der Held zu seinem Vater Zeus in den Olymp erhoben und gewinnt das ewige Leben. Läßt man die theologische Komponente aber weg und reduziert die Geschichte auf die triviale 'Action', haben wir einen Serienhelden vor uns, der schon recht stark an einen 'Superhelden' erinnert, auch wenn er seine Identität nicht verbirgt.
Mit dem Ende der Antike und dem Aufkommen des Christentums verschwinden auch die Heroen und werden erst in der Renaissance als Motiv der Kunst wiederentdeckt. Die Zeit der übermenschlichen Helden in der Literatur war aber zunächst vorbei. Das Christentum hatte keinen Bedarf an solchen Helden. Dort wo sich Übernatürliches zeigte, kam es von Gott oder vom Teufel. Die Helden des Christentums waren der Erlöser selbst und die Heiligen, die im Namen des Glaubens Wunder wirkten und oft als duldende Märtyrer endeten. Alle anderen aber, die in Verdacht standen über übernatürliche Fähigkeiten zu verfügen, gerieten in Gefahr als Teufelsdiener auf den Scheiterhaufen der heiligen Inquisition geläutert zu werden.
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Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts tauchten wieder literarische Helden auf, die teilweise das Potential zu Superhelden hatten. Nicht etwa weil sie von vornherein über übernatürlich Kräfte verfügten, sondern weil sie Serienhelden, meist in den damals aufkommenden abenteuerlichen 'Groschenheften' waren.
Als Serienhelden waren sie potentiell unsterblich und unverwundbar. Das war auch notwendig, denn wer sich wöchentlich mit den übelsten Schurken anlegt, mit Waffen aller Art attackiert wird, sich regelmäßig in Schlangengruben (giftig, versteht sich) oder anderen unangenehmen Orten wiederfindet und von Naturerreignissen, wie Vulkanausbrüchen, heftigen Sturmen und dgl. geradezu verfolgt wird, und all das hunderte Folgen hindurch bei bester Gesundheit übersteht, hebt sich schon deutlich vom Helden eines gewöhnlichen Abenteuerromanes ab, der froh sein kann, am Ende sein Abenteuer überlebt zu haben.
Erklärt wurde diese aussergewöhnliche Widerstandskraft der Serienhelden ohne besonderen Anspruch auf logische Argumentation mit deren besonderen, oft geradezu genialen Geisteskräften, ihrem Mut und ihren sportlichen Fähigkeiten.
In dieser Zeit entstanden Detektivfiguren, von denen Sherlock Holmes eines der bekanntesten Beispiele ist, oder Westernhelden wie Buffolo Bill.
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Ende des 19. und Anfang des 20. Jhdt. trat eine neue Komponente hinzu. Die Serienhelden waren nicht einfach besonders klug und stark, sondern sie verdankten diese Eigenschaften ihrer besonderen Abstammung. Der Gedanken vom edlen 'Übermenschen' hatte aus der Philosophie (Bei Friedrich Nietzsche taucht der Begriff des Übermenschen zuerst in seinem Werk "Also sprach Zarathustra" (1883-85) auf) den Weg ins Triviale gefunden und erfreute sich allenthalben - nicht nur in Deutschland, dort aber besonders - grosser Beliebtheit. Man denke etwa an Karl May. dessen Held, der in verschiedenen Inkarnationen wie etwa als Kara ben Nemsi oder Old Shatterhand durch die Welt zog, seine deutsche Abstammung betonte und von unglaublicher Überlegenheit und geradezu widerlichem Edelmut war. Auch in den Erzählungen von Robert Kraft finden wir solche Typen oder etwa in Sun Koh, dem Erben von Atlantis, um nur einige Beispiele zu nennen. Dieser Heldentypus nähert sich auf zeitgemäße, triviale Weise bereits wieder den Heroen an und hat viele Anlagen zum Superhelden. Es ist nur noch notwendig ihm eine Maske zu verpassen und seine Superfähigkeiten auszubauen.
Damit kommen zur zweiten literarischen Tradition in welcher die modernen Superhelden wurzeln.
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Maskierte Rächer
Nun darf man nicht davon ausgehen, dass es für diesen Typus unbedingt einer Maske bedarf, die vor dem Gesicht getragen wird. das Konzept ist diffiziler angelegt.
Stellen sie sich vor, Sie wären ein recht durchschnittlicher Mensch, in der Schule von Mitschülern gehänselt, die Noten auch nicht allzu gut, später im Beruf kein rechtes Vorankommen, dafür einen aufsässigen Vorgesetzten und intrigante Kollegen und das andere Geschlecht verfällt auch nicht gerade in Verzückung, wenn Sie auftauchen. Zwar kein ausgesprochener 'Looser', aber stets angstrengt bemüht keiner zu werden.
Und jetzt stellen Sie sich vor, dass das nur die halbe Wahrheit ist. In Wirklichkeit - aber keiner darf es wissen - sind Sie ein mächtiger, gefürchteter Mensch, ein berühmter Held, vor dem alle, die Sie jetzt mißachten, respektvoll erzittern werden, wenn Sie einmal die Maske ihrer banalen Existenz fallen lassen und sich zu erkennen geben.
Das ist der Stoff, aus dem Tagträume sind.
In Berthold Brecht's Dreigroschenoper bringt es Polly, die Tochter des Bettlerchefs auf den Punkt, wenn sie im Lied von der Seeräuberjenny (...und sie wissen noch immer nicht, wer ich bin) davon träumt, wie sie sich als Anführerin von Piraten zu erkennen gibt, die mit ihrem Schiff den Hafen anlaufen und die Stadt, in der sie ein Leben lang als Kellnerin gearbeitet hatte und gedemütigt worden war, zerstören und auf ihren Befehl alle Einwohner töten.
Die literarische Tradition dieser verborgenen, mächtigen Existenz ist mindestens genso alt wie, wie jene von den Heroen und manchmal sogar mit dieser verknüpft. Denken wir an die Geschicht von Odysseus, der endlich von seinen Irrfahrten heimgekehrt, sein Haus von unverschämten Freiern geplündert und besetzt und seine geliebte Frau in grösster Bedrängnis vorfindet. Mit Hilfe der Göttin Athene, die eine gewisse Schwäche für Helden hatte, warf er die Existenz eines armseligen alten Bettlers über und mischte sich unter die Freier, die ihn mit Verachtung behandelten. Erst als die Stunde der Rache gekommen war, erschien er zum Entsetzen der Bösewichter in seiner wahren Gestalt und sein 'weithintreffender' Bogen hielt furchtbare Ernte unter den Freiern.
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Wenn ich es recht überlege, hatte Odysseus schon alle wesentlichen Elemente eines Superhelden in sich vereinigt. Er war sicher so etwas wie eine Serienheld, wenn man die Aneinanderreihung von Abenteuern, vom trojanischen Schlachtfeld bis zu seiner Heimkehr betrachtet. Auch waren seine an sich schon aussergewöhnlichen Fähigkeiten nicht nur menschlich, konnte er doch auch auf die Hilfe einer ihm gewogenen Göttin zurückgreifen. Seine Gegenspieler waren auch nicht zu verachten. Da gab es den Zyklopen Polyphen und dessen erbosten Vater, den Meeresgott Poseidon. Die Zauberin Kirke, selbst eine Halbgöttin, die Schiffbrüchige in Schweine verwandelte, und die Nymphe Kalypso führten den Helden in arge Versuchung und verzögerten seine Heimreise erheblich, um nur einige der Anfechtungen zu nennen, denen er ausgesetzt war. Und zum Schluss der von Homer mit dramatischer Raffinesse geschildert gewaltige Showdown, der mit der Maskierung des von seinen Feinden nicht erkannten Helden eingeleitet wird.
Solche Geschichten haben den Leuten schon vor tausenden Jahren gefallen.
Auch in der Bibel finden wir Beispiele dafür. In der Geschichte von Josef und seinen Brüdern, wird der junge Josef von seinen mißgünstigen Brüdern in die Sklaverei verkauft und gelangt am Hofe des ägyptischen Pharaos zu Macht und Einfluss. Jahre später spielt ihm das Schicksal seine Brüder in die Hände, die als Bittsteller am Hofe Pharaos erscheinen und in dem mächtigen Beamten ihren Bruder nicht erkennen. Nachdem er sie seine Macht hat spüren lassen, verzichtet Josef auf Rache und gibt sich versöhnlich seinen Brüdern zu erkennen.
In der neueren Literatur erscheint als herausragendes und wohl auch bekanntestes Beispiel Alexandres Dumas "Der Graf von Monte Christo". Der Seemann Edmond Dantes wird Opfer eines Komplotts und unschuldig ins Gefängnis geworfen, wo er für immer verschwinden soll. Es gelingt ihm aber die Flucht und er findet durch den Hinweis eines verstorbenen Mitgefangenen einen Schatz, der ihn unermeßlich reich macht. Nach Jahren kehrt er unter dem Namen eines Grafen von Monte Christo unerkannt in die Heimat zurück, wo es seine ehemaligen Widersacher zu bedeutenden Positionen und Wohlstand gebracht haben und den interessanten und reichen Fremden in ihre Kreise aufnehmen. Von ihnen hoffiert spinnt Monte Christo nunmehr seinerseits im Verborgenen Intrigen und treibt seine ehemaligen Feinde in den Ruin, die gesellschaftliche Ächtung und teilweise in den Selbstmord, wobei er sich erst im letzten Moment zu erkennen gibt.
Während all diese Helden aber in eigener Sache gehandelt hatten, trat mit Zorro eine Figur auf den Plan, die sich einer Sache verschrieben hatte und eine Art Dienstkleidung, ein typisches Kostüm samt Maske bekam. Damit war eine weitere Annäherung an den Typus des späteren Superhelden getan.
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Die Erzählung von Zorro spielt im 19. Jhdt in Kalifornien, das sein Unabhängigkeit von Mexiko anstrebt. Der Landedelmann Don Diego de la Vega, der als harmloser, feiger Geck gilt, verwandelt sich nachts mit schwarzem Umhang und Maske zum Rächer des Volkes. Er ist ein hervorragender Fechter und zeichnet seine Feinde mit dem Degen durch ein "Z", das zu seinem Markenzeichen wird. Erfunden wurde Zorro von Johnston McCulley und trat erstmals 1919 im Groschenroman "The Curse of Capistrano" auf. Erfolgreiche Verfilmungen verhalfen Zorro zu weltweiter Bekanntheit. Der dramaturgische Reiz des Zorromotivs liegt in der Doppelexistenz des Helden und den sich daraus ergebenden Komplikationen, insbesondere um eine Aufdeckung seiner wahren Identität zu verhindern.
In den 40er jahren erschien in Spanien mit "EL Coyote" ein themengleiches Gegenstück zu Zorro, das im spanischsprechenden Raum ebenso berühmt wurde wie sein Vorbild. Die Coyote-Romane wurden in deutscher Übersetzung sowohl in Österreich als auch in Deutschland veröffentlicht. In der ebenfalls aus Spanien stammenden Romanserie "Der Kapuzenmann und die rote Schlange" ('El Encapuchado') wurde das Zorromotiv in Form einer Kriminalserie ins Amerika des 20. Jhdt verlegt. Über diese Spanischen Romane, die in der österreichischen Trivialliteraturszene der frühen Nachkriegszeit eine grosse Rolle spielten, habe ich bereits an anderer Stelle berichtet.
Das Phantom haust in der Totenkopfhöhle im Dschungel, wo ihn die Eingeborenen ehrfurchtsvoll 'wandelnder Geist' nennen, weil sie ihn für unsterblich halten. Tatsächlich wird aber die Phantom-Existenz seit Generationen vom Vater an den Sohn weitergegeben. Im Kampf gegen Bösewichter aller Art verläßt er bisweilen sein Dschungelreich und tritt in der Welt als 'Mr. Walker' auf. Seine Feinde zeichnet er ähnlich wie Zorro durch einen Schlag mit seinem Siegelring, der ein bleibendes Mal hinterläßt. Phantom wurde 1936 von Lee Falk geschaffen und wird bis heute als auch verfilmte Comicserie fortgesetzt.
Nun war nur mehr der letzte Schritt zu tun und den mit übermenschlichen Kräften ausgestatteten Helden mit dem für 'das Gute' kämpfenden Maskenhelden zu verbinden und es entstand der
Superheld
Superman war der erste in der Reihe der Superhelden und Vorbild für alle folgenden. Erfunden wurde er 1932 von Jerry Siegel (Texter) und Joe Shuster (Zeichner). 1938 kaufte der DC-Comic-Verlag in New York die Idee und publizierte 1939 den Comic, der ein weltweiter Erfolg wurde.
Zahlreiche Superhelden folgten und gewannen vor allem in Amerika größte Popularität.
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Jede Zeit und jede Kultur hat ihre Heldensagen. Am unverfälschstesten aber spiegelt sich der sogenannte Zeitgeist in den trivialen Heldendarstellungen wieder. So gesehen weisen die Superhelden beängstigende Züge auf.
Einerseits reflektieren sie elemantare Allmachts- und Rachevorstellungen, andererseits entspricht
das Konzept des Superhelden, der für das 'Gute' gegen die Mächte des 'Bösen' kämpft, dem recht einfachen, dualistisch geprägten Weltbild, das man in weiten Kreisen der amerikanischen Bevölkerung findet und das nicht zuletzt auch in den Argumenten zur amerikanischen Weltpolitik anklingt.
Links ein ganz spezieller Superheld: Captain Amerika, der mit Superkräften gegen die Feinde Amerikas kämpft.
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