Das Buch zum Thema:
Der unglaubliche Struwwelpeter
Inhalt, Bezugsmöglichkeiten

Der Struwwelpeter
Teil 2

Der Struwwelpeter war bereits kurz nach seinem Erscheinen von anderen Autoren in geradezu vorbildlicher Weise gebessert, auf Reisen geschickt und mit einem gleichfalls besserungsfähigen weiblichen Gegenstück versehen worden (Abbildungen unten links und rechts).
Hoffmann selbst hatte mit derartigen Umtrieben nichts im Sinn. Er beließ dem struwweligen Burschen sein eigenwilliges, provokantes Aussehen und änderte nichts daran. Im Jubiläumsblatt zur 100. Auflage 1876 heißt es (Unten Mitte):

Er spricht:
Heut’ komm’ ich zum hundertsten Male
Herein in die lustige Welt;
Da find’ ich im festlichen Saale
Viel Kinder und Freunde gesellt.
Gar würdige Männer und Damen
Sind die, die ich damals erfreut;
Ich aber behielt meinen Namen,
Bin jung noch der Alte auch heut’.
Zwar ließ ich mich köstlich frisieren
Sie zausten mir böslich das Haar;
Das soll mir nicht wieder passieren,
Ich bleibe der Bursch’, der ich war.

Ungeachtet der sich in den Verkaufszahlen wiederspiegelnden ungebrochenen Beliebtheit des Original- Struwwelpeter unternahmen es insbesonderere zu Ende des 19. Jahrhunderts verschiedene Verlage, den Struwwelpeter zu erneuern. Diese vor Ablauf der urheberrechtlichen Schutzfrist oft konsenslos hergestellten Struwwelpeter- Varianten führten nicht selten zu Urheberrechtsstreitigkeiten.

Ein neuer Struwwelpeter von Marie Beck, mit Bildern von M. Pfeifer erschien um 1895 (Verlag W. Düms in Wesel) und stellte sich sowohl vom Namen als auch mit den enthaltenen Warn- und Strafgeschichten unmittelbar in die Tradition des Hoffmanschen Struwwelpeter. Es sind folgende Episoden enthalten: 'Die Geschichte von dem ungehorsamen Fritzchen' (Ausschnitt Bild links), 'Die Geschichte von dem naschhaften Lieschen', 'Die Geschichte vom neugierigen Hannchen', 'Die Geschichte vom Lügen-Konrad', 'Die Geschichte vom boshaften Anton', 'Die Geschichte vom eingeschneiten Fränzchen', 'Die Geschichte von der unordentlichen Klara'

Ebenfalls bei Düms erschien 1898 Der kleine Struwwelpeter mit Bildern von W. Schäfer und Reimen von Ferdinand Goebel. Enthalten sind die üblichen Warn- und Strafgeschichten, wie von dem Mädchen, das mit dem Feuer spielte und verbrannte (Bild links), der naschhaften Anna, dem Buben, der Äpfel stehlen wollte usw.

Wenn die Kinder artig sind,
Gern gehorchen und geschwind,
Wenn sie Rah und Ptah verehren,
Auf Osiris Worte hören,
Nicht die heil'gen Katzen necken
Und den Apis nicht erschrecken,
Wenn sie fromm und sittsam auch
Thun, was sonst Aegyptens Brauch,
Dann bringt Isis Gut's genug
Und ein schönes Bilderbuch.

Aus Wien stammt Der Ägyptische Struwwelpeter. Es handelt sich um eine der originellsten Struwwelpeter- Parodien. Bild oben rechts: Die 'Tintenbuben' werden von Osiris ins rote Meer getunkt. Gezeichnet und gereimt wurde dieser Ägyptische Struwwelpeter von den Geschwistern Fritz, Richard und Magdalene Netolitzky, die es einer Bekannten der Familie, Frau Gersuny, zum Geburtsgeschenk machten. Die Dichterin Marie von Ebner-Eschenbach, die im Hause Gersuny verkehrte, fand Gefallen an diesem Büchlein und überredete den Verleger 'Gerold & Sohn' es 1895 herauszubringen. Auf Grund einer Plagiatsklage des Struwwelpeterverlages Rütten & Loening musste die Auflage eingezogen werden, das Buch ist aber heute als Reprint wieder erhältlich.
Inspiriert wurde Der Ägyptische Struwwelpeter wahrscheinlich von den damals sehr beliebten Aegyptischen Humoresken des Carl Maria Seyppel. Die Abbildung rechts zeigt eine Seite aus dem zweiten Band "Er - Sie - Es" (1883).

Eine andere, noch eigenartigere Struwwelpeteradaption, die sich jedem Einordnungsversuch entzieht, ist der Rundfunk-Struwwelpeter, der eine Generation später, nämlich im Jahre 1926 als Leporello (Faltbilderbuch) in der Reihe "Nürnberger Bilderbücher" des Gerhard Stalling Verlags erschien.
Die Rundfunkbegeisterung hatte im Erscheinungsjahr dieses Buches einen ersten Höhenpunkt erreicht. Von knapp 500 angemeldeten Hörern im Jahre 1923 war deren Zahl bis 1926 auf eine Million gestiegen. Die Rundfunkgebühr war 1924 auf 2 RM jährlich festgesetzt worden und der Niklas (aus der Geschichte von den Tintenbuben) ermahnt die Schwarzhörer ihre Gebühren zu bezahlen (oben Mitte).
Unter Zitierung der Hoffmannschen Figuren und in Anlehnung an das Erzählschema des Originales wird dessen Inhalt thematisch völlig verfremdet, eine Vorgehensweise, die belegt, wie die Struwwelpeterfiguren bereits im allgemeinen Bewusstsein präsent waren, und die wir besonders nach der Jahrhundertwende in den Politparodien des Struwwelpeters (weiter unten) wiederfinden.

Ein weiteres Beispiel für Popularität des Struwwelpeters und seine universelle Zitierfähigkeit bereits Ende des 19. Jahrhunderts ist "Der Schach-Struwwelpeter" (links) , ein Heimbüchlein, allen Freunden des königlichen Spiels gewidmet, von L. von Bilow, erschienen 1883 in Verlag von Veith & Comp., Leipzig, in welchem verschiedene Spielertypen und ihre Unarten geschildert werden: "Der mattblinde Simpelmeier", "Der Combinationshuber", " Der Freßfreudige", "Der Schachtyrann".

Aber schon 1877 war das Buch vom Struwwelpeter so bekannt, dass ein (wohlweislich) anonymer Autor auch eine parodistische Adaption auf das damals hochangesehene Militär verfasste, nämlich den Militär-Struwwelpeter.

Wenn Recruten artig sind
Kommt zu ihnen das Christkind,
Wenn sie ihren Brei hübsch essen,
Auch Commisbrod nicht vergessen,
Wenn sie ohne Lärm zu machen
Still sind bei den sieben Sachen,
Beim Marschieren durch die Gassen
Vom Sergeant sich führen lassen,
Bringt es ihnen Gut's genunk
Und vom Brunnen kühlen Trunk.

Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang auch der Marine-Struwwelpeter von 1901, erschienen bei Lipsius & Tischer in Leipzig, in welchem die Verhältnisse in der Marine parodiert wurden.
Zum Beispiel "Die Geschichte vom Salzfleisch-Kaspar": Doch als das Salzfleisch kam herein, Gleich fing er wieder an zu schrei'n: "Den Koch, das sag' ich unverhohlen, Mög' meinethalb der Teufel holen; Kocht er nicht bald nun 'mal Kompott, So sterbe ich den Hungertod!" Am vierten, fünften Tage gar - Der Kaspar wie ein Fädchen war. Er stand so dünn und schmal an Deck, Und wer ihn sah, bekam 'nen Schreck. Da setzt die Brise ein aus Nord - Und weht ihn einfach über Bord. Ein Hai, der ihn gefressen hat, Der ward nicht 'mal zum Frühstück satt. Es rief vielmehr der böse Hai: "von solchen Kerlen ess' ich drei."

Ein extremer Fall der Verfremdung des Struwwelpetermotivs ist das 1882 erschienene Büchlein Gynäkologischer Struwwelpeter ("Struwwelpeter für artige Embryonen und solche die es werden wollen"). Darin stellt der Gynäkologe Carl Heinrich Stratz unter Übernahme des Struwwelpeterschen Erzählschemas mögliche Gründe für Missbildungen, Totgeburten oder Tod kurz nach der Geburt in Wort und Bild dar:
"Wenn die Foeten artig sind, / Werden sie ein reifes Kind; / Nur in erster Schädellage / Treten sie alsdann zu Tage...."
Die Abbildung links zeigt den "anenzephalischen Otto", oder Bildung muss sein. (Bei Kindern mit dieser Missbildung hat sich die Schädeldecke nicht geschlossen und es fehlen in unterschiedlichem Umfang Teile des knöchernen Schädeldaches, der Hirnhäute, der Kopfhaut und des Gehirns.)
Aus heutiger Sicht wirkt dieses Buch makaber bis geschmacklos, zu seiner Zeit war es aber ein Bestseller und verzeichnete mehrere Auflagen.

Wenden wir uns jetzt aber wieder den pädagogisch motivierten Kinderbuch- Varianten zu:

Oben links: 1891 veröffentlichte der vor allem durch seine Kinderbücher mit beweglichen Bildern bekannte Maler und Illustrator Lothar Meggendorfer (geboren am 6. November 1847 in München; gestorben am 7. Juli 1925 ebenda) sein Neues Struwwelpeterbuch, welches folgende Geschichten enthält: 'Der böse Julius', 'Die Lampenmarie', 'Der lachende Willi', 'Die weinende Sofie', 'Die unartige Laura', 'Der Pulverfritz'.
Oben Mitte: Der Struwwelpeter, ein lehrreiches Bilderbuch, erschienen 1882 bei Ensslin & Laiblin, sieht drastische Besserungsmaßnahmen für so unangepasste Kinder wie den Struwwelpeter vor.
Oben rechts: 1886 erschienen bei J. A. Steinkamp die Struwelpetergeschichten. Die bekannten Struwwelkinder (Struwelpeter - nur mit einem 'w' geschrieben, Struwelsuse, Suppenkasper, das naschhafte Lieschen u.a.) werden völlig neu getextet und gezeichnet. Es gibt davon eine weitere, verkürzte Ausgabe von 1913 mit anderem Cover (Bild links).

Links: Drastische Therapierung eines Zappel-Fritzchen. Der unruhige Knabe wird in ein Holzkorsett gesteckt und am Tisch festgenagelt. Aus:
Neues Struwwelpeterbuch in 24 Bildern, Bagel um 1850

Besonders bei den Struwwelpeterbüchern des ausgehenden 19. Jahrhunderts ist eine starke, bei Hoffmann selbst nicht vorhandene Tendenz zu erkennen, die ungezogenen Kindern durch massive erzieherische Intervention, wenn nötig auch mit Gewalt, zu einer Änderung ihres als unakzeptabel empfundenen Aussehens und Verhaltens zu bewegen. Es scheint, man hatte den Struwwelpeter im Verdacht eine Art Revoluzzer zu sein und holte das Hoffmannsche Versäumnis, ihn zu disziplinieren, gründlich nach.

Die Sorge, der Struwwelpeter könne sich letztlich als aufsässiger Querdenker und Freigeist erweisen - das war auch damals nicht besonders gefragt - erwies sich als berechtigt.

Wenn der Bürger brav und gut
Seine Steuern zahlen thut;
Wenn er, ohne Lärm zu machen,
Mit den hübschen Siebensachen,
Die man Bürgerrechte nennt
Und ihm huldvoll zuerkennt,
Mit bescheidenen Manieren
Sich loyal zu amüsieren,
Und auf ihren kleinen Kreis
fromm sich zu beschränken weiss;
Zum Keller ein Professor schlich,
Der war ein arger Wütherich;
gar viele Thiere lieb und werth
Hielt er dort unten eingesperrt.
Und wenn er in's Kollegium kam,
Die Thierchen er beim Schwanze nahm
Und trug hinauf sie in den Saal
Und schlug sie an den Marterpfahl...

Die Ausschnitte oben stammen aus Neuer Zeit- und Streit- Struwwelpeter, ein Bilderbuch für junge Retter der Gesellschaft; Den Freunden des besonnen Rückschritts gewidmet von M. Reymond, erschienen 1881 (Trüb'sche Buchhandlung).
Man ist überrascht wie aktuell noch viele dieser Geschichten sind. Die Ausschnitte Mitte und rechts stammen aus einer Episode, die sich gegen Tierversuche wendet.
Das ganze Buch kann ebenso wie zahlreiche andere alte Kinderbücher - auch Struwwelpeteriaden - online bei der Universitätsbibliothek Braunschweig angesehen werden.

Der Struwwelpeter von Heute von Friedrich Stern erschien 1914, richtet sich an Erwachsene und wendet sich mit Versen und Zeichnungen gegen autoritäre Erziehungsmethoden. Die Schere auf dem traditionellen Podest des Struwwelpeter ist zerbrochen.

Der Struwwelpeter neu frisiert von Eckart und Rainer Hachfeld erschien bei © Rütten und Löning und karikiert in einer auch heute noch lesenswerten Weise die politische Szene im Deutschland der 60er Jahre:
"Seht einmal, da steht er, / pfui, der Struwwelpeter! / Mag nicht stumm parieren, / wagt, zu diskutieren; / nationales Ideal, / Bürstenschnitt und Kapital, / das zieht in den Schmutz er: / Garstger Revoluzzer!"

Der Anti-Struwwelpeter, © Diogenes, von K. Waechter, ist erstmals 1970 erschienen und für Anhänger der antiautoritären Erziehung längst Kult geworden.
"Sieh einmal, hier steht er, / pfui, der Struwwelpeter, / schneiden ließ er nicht sein Haar / nun schon fast ein ganzes Jahr. / 'Pfui', ruft da manch Blöder: / 'Garstger Struwwelpeter.' / Blöde gibt es viele / am Rhein und auch am Nile."

Die Eignung der Struwwelpetergeschichten auch als Schablone für politische Satiren und Karikaturen wurde früh erkannt und auch in England in sehr publikumswirksamer Weise umgesetzt. In diesen englischen Politparodien spiegelt sich die Einstellung Englands gegen das deutsche Reich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wider.

The Political Struwwelpeter erschien 1899 in London und karikierte englische Politiker seiner Zeit. Verfasser war Edward Harold Begbie, die Zeichnungen stammen von Francis Carruthers Gould.
Der Erfolg des 'Political Struwwelpeter' veranlasste das Autorengespann mit The Struwwelpeter Alphabet 1900 einen Folgeband herauszugeben. Die von England zunehmend als provokant empfundene Außenpolitik Wilhelms II verschafften diesem in der Pose des großspurigen Deutschen den Platz am Titelblatt.
Kurz nach dem Ausbruch des ersten Weltkrieges erschien in London Swollen-headed William, Text von E. V. Lucas, Zeichnungen von George Morrow. Bild links: Wilhelm II als 'bitterböser Friederich'.

Der Bombenpeter
Seht einmal, hier steht er,
Pfui! der Bombenpeter!
Der mit Haut und Haaren
Sich verschrieb dem Zaren,
Ränke spann bei Tag und Nacht
Und so manchen umgebracht.
Pfui! ruft da ein jeder,
Garstiger Bombenpeter!

Auch in Deutschland erschien 1915 ein Kriegs-Struwwelpeter, der die Kriegsgegner verspottete. Verfasser war Karl Ewald Olszewski
Oben Mitte und rechts: 'Der Bombenpeter' (Serbien), links: 'Der Zappel-Peppo' (Italien, das mit Deutschland und Österreich verbündet gewesen war, nach Kriegsbeginn aber für den Preis von Gebietsgewinnen zu Lasten Österreichs die Seiten gewechselt hatte.)

Gleichfalls aus dem Jahre 1915 stammt Europas Struwwelpeter 'nach Wilhelm Busch' von H. Morell (geb. 1885), Zeichnungen von Arthur Thiele, erschienen im Verlag Balkwitz.
Es handelt sich um Kriegspropaganda, in der ebenso wie im Kriegs-Struwwelpeter der Serbenpeter mit Bombe und Dolch dargestellt wird.
Ob dem Autor ein Fehler unterlaufen ist, indem er Wilhelm Busch im Zusammenhang mit dem Struwwelpeter zitierte, oder ob er die Attraktivität seines Buch, das er dadurch zusätzlich als 'Buschiade' deklarierte, erhöhen wollte, was mir wahrscheinlicher scheint, muss dahingestellt bleiben.
In heutigen Rezensionen als humorloses Propagandamachwerk niedrigen Niveaus und dümmliche Propagandaschrift bezeichnet, wurde bei Erscheinen dieses Buches in der Presse "sein erfrischender Humor" gelobt.
Bleibt anzumerken, dass die einschlägige, gegnerische Propaganda auch nicht niveauvoller war.

Bereits 1933, im Jahre der sogenannten Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, setzte sich in England eine weitere Struwwelpeterparodie, Truffle Eater von Oistros (Humbert Wolfe), mit den Zuständen in Deutschland auseinander. Enthalten sind Episoden wie: 'Goebbels and the Matches', 'The story of the Boy who went out to burn the books', 'The story of Goering who would not have the Jews'.
Der Bildausschnitt unten Mitte zeigt den in Machtphantasien versunkenen Hitler als 'Little Adolf Head-in-Air'.
Zu dem Vers ganz unten rechts bemerkt 'Die Bilderwelt im Kinderbuch' zutreffend: "In England waren schon in den Anfangsjahren des Dritten Reiches alle diese Dinge bekannt, die bei uns während dieser Zeit angeblich niemand wissen konnte..."





Baby, Baby Goering
Mother's simply purring
Father's gone to shoot a Yid
To make a supper for his kid
(zitiert nach 'Die Bilderwelt im Kinderbuch'; 1803)
The Story of cruel Adolf

Grausam steht der Adolf da,
schrecklich wie der Bube war;
verfolgte seine Weltmachtsziele
und mordete der Freunde viele.
Er tötete neutrale Vögel,
und steter Wortbruch war ihm Regel.
Zermalmte Pussy, zerriss jeden Pakt
und schrie, bis die Stimme ihm übergeschnappt.
Frankreichs Mariann' wurde mächtig geschlagen
und dann ging's den Nachbarn an den Kragen.

(Übersetzung von Dieter H. Stündel aus dem Reprint © Autorenhaus Verlag GmbH, Berlin 2005)

Struwwelhitler, A Nazi Storybook by Doktor Schrecklichkeit (Robert und Philip Spence) erschien 1941 in England, zu einem Zeitpunkt als die militärischen Erfolge Deutschlands ihren Höhepunkt erreicht hatten, und karikiert mit faszinierender Treffsicherheit den Kriegsgegner und die nationalsozialistischen Größen.
Enthalten sind die Episoden: 'The story of cruel Adolf' (Auszug oben rechts); 'The dreadful story of Gretchen and the gun' (Das deutsche Gretchen verbrennt, weil es mit einer Kanone gespielt hat und wird von der amerikanischen und der englischen Katze beweint); The story of the Nazi Boys' (die von Stalin in ein Fass roter Tinte getaucht werden); 'The story of the man that went shooting' (Mussolini und die Griechen); 'The story of little Gobby Poison Pen' (Propagandaminister Göbbels werden die Daumen abgeschnitten , weil er Lügen verbreitet); The story of Hermann who wouldn't have butter' (Göring, der - wie es der NS-Propaganda entsprach - tatsächlich nur Kanonen statt Butter bekam und wie der Suppenkasper abmagerte); 'The story of flying Hermann' (Görings Luftwaffe kann sich gegen England nicht durchsetzen); 'The Story of fidgety Adolf' (Hitler sitzt mit Vater USA und Mutter Großbritannien an einem Tisch und zappelt, bis er umfällt); 'The story of little Musso head in air' (Mussolini träumt vom Mare Nostrum und fällt ins Wasser); 'The story of flying Rudolf' (Hess flüchtet nach England, weil "..er spürte im Genick Himmlers kalten Schellfischblick..")

Nach dem zweiten Weltkrieg erlebte der Struwwelpeter in Deutschland und Österreich zunächst als Kinderbuch einen neuen Aufschwung. Einer der Gründe wird dabei wohl auch gewesen sein, dass das Buch lizenzfrei nachgedruckt und bearbeitet werden konnte, politisch unbedenklich war und eine lange Tradition als Kinderbuch hatte. Das allein wird es aber nicht gewesen sein. Denn bis heute erfreut sich der Struwwelpeter - trotz aller Modernisierungsversuche - ungebrochener Beliebtheit bei seinem jungen Publikum. Wir finden in dieser Zeit neben Struwwelpeterbüchern, die sich eng an das Hoffmannsche Original anlehnen, auch zahlreiche Bearbeitungen.
Einige Beispiele für viele:

Aus den 50er Jahren: Der neue Struwwelpeter, Buchgemeinschaft Jung Donauland, Wien, Illustrationen: Anton Marek. Die Hoffmannschen Geschichten werden beibehalten, die Verse aber teilweise geändert und neu illustriert.

Links: "Konrad", spricht die Frau Mama,

Gleichfalls aus den 50ern: Der Struwwelpeter heute (ohne Verlag und Autor). Der Struwwelpeter wird sozusagen neu erfunden. In Anlehnung an Hoffmanns Buch, aber ohne dessen Figuren zu übernehmen, werden neue Episoden erzählt, bei denen es sich um Warngeschichten handelt. Links: Das dumme Suschen geht trotz der Warnung der Mutter mit einem Fremden in den Wald und kommt nie mehr wieder.

So ein Struwwelpeter von Hansgeorg Stengel und Karl Schrader erschien Anfang der 70er im © Kinderbuchverlag Berlin (DDR) und ist nach meiner Meinung die gelungenste Struwwelpeteriade der letzten Jahrzehnte. Auch hier wird mit dem Namen nur deklariert, in welcher Tradition das Buch steht. Die Figuren selbst sind neu erfunden. Die Bilder und Verse sind humorvoll und eingängig und erfreuen Erwachsene ebenso wie Kinder.

Auch in der Politparodie wurde der Struwwelpeter wieder 'tätig'. Der Struwwelpeter neu frisiert und Der Anti-Struwwelpeter wurden bereits erwähnt. Daneben gab es zahlreiche Cartoons, die sich mit aktuellen Innen- und Außenpolitischen Themen Deutschlands beschäftigten. Ein Kuriosum, das den eine Adaptierung für nahezu jedes Thema ermöglichenden Bekanntheitsgrad des Struwwelpeter bezeugt, ist Der Schwuchtelpeter, erschienen 1980 im © Verlag Rosa Winkel: "Der Dieterich, der Dieterich / War stahlhart und ein Wüterich! / Oft hat es in ihm Lust erweckt, / Mißhandelte er ein Insekt; / Und war es auch nicht bös gemeint, / So schlug er dennoch seinen Freund. / Kurzum: Er war ein ganzer Mann, / Zog er den Lederpanzer an. "


Der Struwwelpeter war bereits von Mark Twain übersetzt worden und daher dem amerikanischen Publikum gut bekannt.

Hintergrund für die aus Amerika stammende Struwwelpeterparodie Tricky Dick ist die sogenannte Watergate-Affäre. Der damalige republikanische Präsident der USA, Richard Nixon, trat als erster Präsident der USA am 9. August 1974 zurück, um einem Amtsenthebungsverfahren im Zusammenhang mit einer illegalen Abhörmaßnahme im Hauptquartier der Demokratischen Partei zu entgehen.

In den 90er Jahren beschritt der Struwwelpeter abermals Neuland und wandelte sich vom Kinderbuch zur Vorlage für künstlerische Interpretationen des Textes und der Zeichnungen. Beispiele für diese Versuche sind die drei unten abgebildeten Bücher © Verlag Rütten & Loening: Der Struwwelpeter, neu illustriert von Manfred Bofinger. Struwwelsilben - Zappelpeter von Xago: Die Hoffmannsche Vorlage wird respektlos verkritzelt und mit assoziativen Bild und Wortfragmenten kommentiert. Der Struwwelpeter umgetopft von F. W. Bernstein; "....hat den alten Struwwelpeter umgetopft zu bissig-satirischen Zeit-Kommentaren."

Links: Katalog zur Ausstellung 160 Jahre Struwwelpeter, © Coverillustration: Gerhard Schlegel, Laska Comix. "Durch Unterstützung des Kulturreferates der Stadt München konnte eine neue Interpretation durch deutsche Comiczeichner erreicht werden. Zehn Künstler setzen sich sehr individuell mit dem Thema auseinander und illustrieren jeweils eine Geschichte neu."

Die bisher vorgestellten Struwwelpeteriaden berufen sich direkt auf ihr Vorbild, den Struwwelpeter
Daneben gibt es eine Vielzahl von Struwwelpeteriaden, die ihr Vorbild unverkennbar, aber nur inhaltlich nachahmen, ohne den Struwwelpeter beim Namen zu nennen: Bitte umblättern

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Der Struwwelpeter
Teil 3
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