Die drei vom Verlage Steinsberg vertriebenen Kinderzeitungen Der Papagei, Der Schmetterling, und Der Kiebitz ähnelten einander inhaltlich sehr stark und wurden vom Verlag offenbar als einheitliche Produktgruppe angesehen, die nur der besseren Verbreitbarkeit wegen und um Konkurrenzprodukten möglichst wenig Raum zu lassen auf drei Einzelzeitungen aufgeteilt wurden. Dafür spricht auch, dass jede dieser Zeitungen für die beiden anderen warb und auf deren nächsten Erscheinungstermin hinwies . Für alle drei Zeitungen wurden auch oft dieselben Mitarbeiter, insbesondere dieselben Zeichner herangezogen. Der Unterschied bestand darin, dass man meist auf dem Gebiet der komischen Bildgeschichten versuchte, für jede einzelne dieser Zeitungen ganz typische, selbständige Serien zu kreieren, die in Fortsetzung liefen und die Leserbindung so verstärkten.
Gestaltet wurden die Zeitungen von österreichischen, in der Regel im Bereich Wien ansässigen Zeichnern und Textern.
Blättert man die Hefte durch, fällt vor allem eines auf: Die Illustrationen waren flächig bunt und fast karrikaturenhaft lustig und vermieden die 'lieblichen' Bilder, wie man sie sonst noch in Kinderpublikationen dieser Zeit häufig findet. Die 20er Jahre, die rückblickend als 'die tollen' bezeichnet werden, die Slapstickfilme der Stummfilmzeit und wohl auch die frühen angloamerikanischen Comics übten deutlich ihren Einfluß. Das Erscheinungsbild der Zeitungen wurde daher auch nicht überwiegend von Kinderbuchillustratoren geprägt, sondern von Zeichnern, die soviel wir wissen aus dem Gebiet der Werbegrafik kamen. Mit Recht zählt man die Bildgeschichten, die in diesen drei Kinderzeitungen erschienen zu den frühen Formen deutschsprachiger Comics. Die Zeitungen erhoben auch keinen ernsthaften Anspruch darauf, pädagogisch besonders wertvoll zu sein und vermieden peinlich jede weltanschauliche Tendenz, was in der damaligen Zeit ohnehin problematisch gewesen wäre. Die Zeitungen wollten einfach nur gefallen und unterhalten, ohne mit einer aufgesetzten 'Moral von der Geschicht' belastet zu sein. Das entsprach ja durchaus dem Konzept, die Zeitungen auch universell (das heißt in allen deutschsprachigen Gebieten und für alle möglichen Firmen) als Werbeträger einzusetzen.
Es sollte lange dauern, bis sich diese Spielart der (unpädagogischen, trivialen) Kinderliteratur, die hier so unbefangen und trotzdem unbehelligt zutage trat, wieder durchsetzen konnte.
Die österreichischen Kinderzeitungen der Nachkriegszeit,Kinderpost, Wunderwelt und Unsere Zeitung waren anders. Sie brachten Bemerkenswertes, manchmal - wie ich meine - sogar Großartiges hervor, aber sie wurden von Leuten gemacht, die mehr zu den Kinderbuchautoren und Illustratoren gehörten und die ein völlig anderes Verständnis für die Kombination von Bild und Text hatten, als etwa ein Werbegrafiker oder Comiczeichner. Auch waren diese Kinderzeitungen alle mehr oder weniger weltanschaulich ausgerichtet und legten angesichts des aufflammenden Kampfes gegen Schmutz und Schund größten Wert darauf, der 'pädagogisch wertvollen, guten' Kinderliteratur zugerechnet zu werden. Erst spät setzte sich in ihnen "Comicartiges" endgültig durch, wobei es vor allem der Werbegrafiker Hans Birnbauer war, der eine Vorreiterrolle spielte.
Aber erst in den letzten Jahrzehnten hat man unter dem faktischen Druck einer ständig wachsenden, auch auf ein jugendliches Puklikum ausgerichteten Unterhaltungsindustrie darauf verzichtet, den pädagogischen Wert eines für Kinder bestimmten Unterhaltungsmediums als durchzusetzendes und auch durchsetzbares Postulat anzusehen und hat sich auf die Position eines immer liberaler werdenden Jugendschutzes zurückgezogen.
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Was damals für die Gestaltung deutschsprachiger Kinderzeitungen eine Novität darstellte, hatte sich im englischen Sprachraum längst durchgesetzt. |
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Links eine Ausgabe von Tiger Tims Weekly2 aus dem Jahre 1921, rechts eine Ausgabe des Papagei aus dem Jahre 1932. |
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Oben links, eine Ausgabe der englischen Kinderzeitung Playbox2 aus 1925. Rechts, Kiebitz aus 1933. Die possierlichen Tierchen, die sich am Cover von Playbox2 tummeln, ebenso wie im zentralen Bildfeld von Tiger Tims Weekly2 erinnern sehr stark an die Ziffernbande aus dem Kiebitz (rechts) und die Katzenbande aus dem Papagei (weiter oben rechts) |
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Der Bick nach England und auf die wahrscheinlichen Vorbilder der von Steinsberg veröffentlichten Comics bietet Anlass für eine grundsätzliche Bemerkung:
Im deutschen Sprachraum tauchen immer wieder Abgrenzungsfragen auf, wann bzw. unter welchen Voraussetzungen Kinderzeitungen bzw. Bildgeschichten vor allem der Zwischenkriegszeit (schon) als Comics bezeichnet werden sollen. Man behilft sich nicht selten damit, dass man von 'frühen Comics' spricht. Der Grund liegt zum Teil darin, dass der Ausdruck Comic, anders als im Englischen, im Deutschen überhaupt erst in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts allgemein gebräuchlich wurde und unter dem nachwirkenden Einfluss der ablehnenden Haltung vorangegangener Jahrzehnte und unter dem Eindruck einer überzogenen Jugendschutzkampagne stark negativ besetzt war. |
Steinsberg behielt die angloamerikanische Comicszene offenbar weiterhin gut im Auge und veröffentlichte als erster deutschsprachiger Verleger in größerem Umfang zwischen 1937 und 1939 original amerikanisches Comicmateriel verschiedener Herkunft, worauf später noch noch näher eingegangen werden wird.
Als der Verlag Steinsberg 1926 mit dem Papagei und dem Schmetterling herauskam, griff er anfänglich vereinzelt noch auf anerkannte Illustratoren von Kinderbüchern zurück. Es überrascht nicht, dass viele der so entstandenen Bildstreifen - will man sie formal einordnen, was zugegebenermaßen ein fragwürdiges Unterfangen ist - an der Grenze zwischen Comicartiger Bildgeschichte und Bilderbuch für Kinder stehen.
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Die sonst so ernsthafte Jugendstilkünstlerin Marianne Frimberger versuchte sich als Zeichnerin einer zweiseitigen komischen Bildgeschichte mit dem Titel "Die fünf Negerlein". |
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Ernst Kutzer steuerte für das 2. Dezemberheft des Schmetterling aus 1927 das Titelbild bei, das mit seinen lieblichen, symetrisch angeordneten Weihnachtsenglein so gar nicht zum Stil der Zeitung passen wollte. |
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Illustrationen von Erwin Tintner in Schmetterling, 1927, 1. Maiheft |
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Der zu seiner Zeit recht bekannte und auch als Illustrator von Kinderbüchern etablierte Zeichner Erwin Barta zeichnete nicht nur etliche Titelblätter sonder auch komische Bildgeschichten. Links ein Ausschnitt aus der Bildgeschichte "Bim und Bumbo" aus dem 1. Februarheft 1927 des Schmetterling. |
Es bildete sich aber bald ein Team von Stammzeichnern heraus, die das Erscheinungsbild der Zeitungen entscheidend prägten.
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An dieser Stelle ist eine allgemeine Bemerkung angebracht. |
Oben die Nr. 13 aus 1933 des Papagei. Wer dieses originelle Titelblatt und viele andere Beiträge in allen drei Kinderzeitungen zeichnete ist nicht bekannt. In keinem einzigen der mir zugänglich gewordenen Exemplaren verrät sich der Zeichner, dessen Stil unverkennbar ist, auch nur ansatzweise durch eine Art Signatur. |
Die Arbeit für eine Kinderzeitung wurde als Broterwerb ohne besonderen Wert, dessen man sich rühmen könnte, angesehen. Die Zeitungen erschienen 14- tägig und waren sozusagen für den raschen Verbrauch bestimmt. Niemand hat wohl seinerzeit daran gedacht, dass sich 80 Jahre später jemand ernsthaft dafür interessieren könnte und die Zeit hat alle Spuren gründlich verwischt.
Dasselbe Phänomen finden wir dann ja auch bei den Kinderzeitungen der Nachkriegszeit wieder, obwohl hier die Quellenlage schon deutlich besser ist.
Trotzdem will ich versuchen, das Wirken einzelner Zeichner, die für die Kinderzeitungen Der Papagei, Der Schmetterling, und Der Kiebitz tätig waren, soweit möglich nachzuvollziehen.
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