Das Buch zum Thema:
Deutschsprachige Kinder- und Jugendzeitschriften
Leseprobe, Rezension, Bezugsmöglichkeiten

Österreichische Kinderzeitungen der Nachkriegszeit

Die österreichischen Kinderzeitungen nach 1945 konnten zwar auf die Vorbilder der Zwischenkriegszeit (Papagei, Schmetterling, Kiebitz usw.) zurückgreifen, sind aber ein typisches Produkt der Medienlandschaft der frühen Nachkriegszeit. Es bestand nämlich eine große Nachfrage nach Unterhaltungsliteratur sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern und Jugendlichen, ohne dass ein entsprechendes Angebot durch das weitgehend zerstörte Verlagswesen da war. Dies führte einerseits zu einer kurzen Hochblüte der Romanheftproduktion, andererseits zum neuerlichen Aufkommen von Kinderzeitungen. Die Idee, kindergerechte Literatur preiswert im periodisch erscheinenden Zeitungsformat zu produzieren, erwies sich als überaus erfolgreich, zumal namhafte Autoren und Zeichner qualitätsvolle Beiträge lieferten. Es wird von Auflagenzahlen bis 250.000 pro Nummer berichtet- und das allein für den österreichischen Markt. Neben kleineren und teilweise kurzlebigen Produktionen konnten sich drei marktbeherrschende Kinderzeitungen durchsetzen: "Die Wunderwelt", "Die Kinderpost" und "Unsere Zeitung".

Diese drei Zeitungen waren miteinander konkurrierende, kommerzielle Produkte, die versuchten mit ansprechenden, kindergerechten Inhalten eine möglichst große Leserschaft zu gewinnen und sich dementsprechend unpolitisch gaben. Das gilt auch für "Unsere Zeitung", die vom Verlag der kommunistischen Partei Österreichs herausgegeben wurde. Man muß diese Zeitung schon sehr genau studieren, um ihre weltanschauliche Heimat zu erkennen. Jedenfalls wurde jeder vordergründige Versuch einer ideologischen Beeinflussung der Leser vermieden. Daneben versuchten sich (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) weitere Kinderzeitungen zu etablieren, ohne allerdings an den Erfolg der drei Großen, die im Detail gesondert vorgestellt werden, heranzukommen.

Hurra, die Eisenbahn

Oktober 1948 bis Juli 1949; monatlich
Zeitschriftenverlag Ployer & Co
Wien
Preis S 1,50
Sehr ansprechend gestaltete Kinderzeitung mit dem Themenschwerpunkt 'Eisenbahn'.
Es erschienen nur 10 Nummern
Zu der Reihe jener Kinderzeitungen, die weltanschaulich eindeutig ausgerichtet waren, gehören die folgenden:

Meine Freude

1949; weiterer Verlauf nicht bekannt
Verlag "Meine Freude"
Wien
Preis S 1.-
Ausrichtung: Konservativ, religiös; bezeichnet sich selbst aber ausdrücklich als 'unpolitische Kinderzeitung'
Keine Bildgeschichten
Teilweise zum Unterrichtsgebrauch an Volksschulen zugelassen

Der goldene Wagen

1947/48/49
Verlag: Herold
Wien
Preis S 1.-
Ausrichtung: Konsevativ, religiös, katholisch
Keine Bildgeschichten aber zahlreiche schöne Illustrationen.

Der erste Jahrgang, Nr.1, beginnt mit dem Osterheft 1947. Die Zeitung erschien monatlich im Format Din A4, ab dem 3. Jahrgang etwas grösser und besticht durch ihre gefällige grafische Gestaltung.

Freundschaft

1947 bis 1955; weiterer Verlauf nicht bekannt ; monatlich
Verlag: SPÖ (Sozialistische Partei Österreichs) / Freie Schule- Kinderfreunde
Wien
Preis 50 Groschen bis S 2.-
Ausrichtung: sozialistisches Jugendmagazin; bezeichnet sich selbst als (österreichische) Kinderzeitung
Wenig Bildgeschichten
Das Konzept, Kinderzeitungen kostenlos zu verteilen und als Werbeträger einzusetzen wurde von Banken und Sparkassen wieder aufgenommen. Beispielsweise seien hier aufgeführt:

Kleine Sparerzeitung

Kleine Sparerzeitung
1938 (?) bis 28. Jahrgang, 1966 (?); monatlich
Verlag: ERSTE ÖSTERREICHISCHE SPAR-CASSE, Wien
Ausrichtung: Werbegeschenk einer Bank;
Kaum Bildgeschichten aber eindeutig als Kinderzeitung einzustufen

Der Sparefroh

später: Hallo Sparefroh
ab 1955 (?) bis Ende der 90er Jahre (?) herausgegeben vom Hauptverband der Österreichischen Sparkassen
Verlag: Sparkassenverlag; Wien
Ausrichtung: Werbegeschenk einer Bank; kaum Bildgeschichten aber eindeutig als Kinderzeitung einzustufen. Mit dem Sparefrohmännchen wurde eine Kultfigur der Werbung geschaffen. Der Ausdruck Sparefroh ist in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. Auflagenhöhe angeblich 300.000
Zum Unterrichtsgebrauch an Schulen zugelassen bzw. empfohlen.

Goldi Zeitung

Jahrgänge 1992, 1993 ; weiterer Verlauf nicht bekannt
Verlag: Creditanstalt Bankverein
Wien
Ausrichtung: Werbegeschenk einer Bank
Eine typische Kinderzeitung mit lustigen Bildgeschichten
Werbefigur: Der Hamster Goldi

In der Folge gingen die Banken dazu über, ihren jungen Kunden Werbecomics zu schenken ( zB. "Sumsi" oder "Knax"). Diese erfreuten sich großer Beliebtheit (Sumsi hat es inzwischen sogar zu einer eigenen Homepage gebracht), können aber nur mehr bedingt zu den klassischen Kinderzeitungen gerechnet werden.

Einen weiteren Sonderfall stellen die Publikationen des roten Kreuzes dar, die von Anfang an darauf ausgelegt waren, als pädagogisch und weltanschaulich wertvolles Unterrichtsmaterial an Schulen zu dienen.
Ab 1948 erschien die Zeitschrift "Junges Volk", die sich als Nachfolger der 1938 eingestellten Kinderzeitung "Jugendrotkreuz" verstand, jedoch als ausgesprochenes Jugendmagazin keine kindergerechten Inhalte mehr vermittelte und daher nicht mehr zu den Kinderzeitungen gerechnet werden kann. Kinder als Zielgruppe wurden nunmehr durch die Zeitschrift "Kleines Volk" erfasst.
Später wurden die Publikationen des Jugendrotkreuzes altersentsprechend gefächert.

"Mini Spatzenpost": 1. Schulstufe
"Spatzenpost": 2. Schulstufe
"Kleines Volk": 3. und 4. Schulstufe
"JÖ" (Jung Österreich): 5. und 6. Schulstufe
"Topic": Mädchen ab 12

Sämtliche Publikationen sind zum Unterrichtsgebrauch an Schulen zugelassen und werden mit staatlicher Billigung in der Lehrerschaft beworben. Die Verbreitung ist dementsprechend groß, das verlegerische Risiko gering. Die Inhalte sind pädagogisch einwandfrei und politisch korrekt. Dasselbe gilt übrigens für Kinderhefte des Buchklubs der Jugend, die nicht eigens vorgestellt werden. Als Kinderzeitungen im engeren Sinn können wohl nur "Spatzenpost" und "Kleines Volk" angesehen werden.

Kleines Volk

'Schul und Jugendrotkreuz- Zeitschrift'
ab 1945/46 (?) bis laufend
Verlag: Österreichischer Bundesverlag (in Zusammenarbeit mit dem Buchklub der Jugend); Wagner'sche Univ.-Druckerei Buchroithner & Co
Wien; Innsbruck
Ausrichtung: Schullektüre
Konventionell gemachte Kinderzeitung ohne pädagogisch anfechtbare 'komische' Bildgeschichten oder 'abenteuerlich-phantastische' Erzählungen

Sieht man von der "Wunderwelt" ab, die mit wechselnden Konzepten ums Überleben kämpfte, kamen nur jene Kinderzeitungen über den Anfang der 60er Jahre hinaus, die als kostenlos abgegebene Werbeträger dienten, oder die als etablierte Schullektüre gleichsam eine staatliche Förderung erfuhren, die allerdings von den Schülern bzw. deren Eltern finanziert werden musste.
Denn Mitte der 50er Jahre hatte sich die Situation weitgehend gewandelt. Die Romanheftproduktion war unter dem Druck der mit den neu etablierten, traditionellen Verlagen verbündeten, politisch agierenden Jugendschützern stark reduziert worden. Die drei großen Kinderzeitungen hatten sich diesem Kampf gegen 'Schmutz und Schund' angeschlossen und kooperierten mit dem wirtschaftlichen Flügel der Jugendschützer, dem Buchklub der Jugend. Aber obwohl ihre eigenen Inhalte denkbar harmlos waren, sie oft patriotische Themen brachten und zumindest "Die Wunderwelt" und "Die Kinderpost" bisweilen religiöses Gedankengut vermittelten, konnten sie dem Zorn der Jugendschützer, die auf dem Gebiet der Jugendliteratur geradezu einen Kulturkampf entfesselt hatten, nicht entgehen. Die Kinderzeitungen wurden wegen ihres-nach Meinung ihrer Kritiker- seichten Inhaltes und der 'karikaturhaft verzerrenden' Zeichnungen als Vorstufe (heute würde man sagen Einstiegsdroge) für den Konsum von 'Schundheften' angesehen und abgelehnt. "Unsere Zeitung" als kommunistisches Presseerzeugnis war ohnehin unakzeptabel. Lediglich katholische Kinderzeitungen wie "Der goldene Wagen" wurden positiv beurteilt.
Das Problem Kinderzeitung erledigte sich indes von selbst. Es gab nämlich inzwischen ein ausreichendes Angebot an Kinder- und Jugendbüchern, zeitgemäße Jugendmagazine waren aufgekommen und die aus Deutschland importierten Comics, allen voran die " Micky- Maus" eroberten trotz des erbitterten Widerstandes der Jugendschützer den Markt. Dies führte bei den Kinderzeitungen zu einem dramatischen Rückgang der Auflagenzahlen. Ende 1959 stellte "Die Kinderpost" ihr Erscheinen ein, "Unsere Zeitung" folgte ein Jahr später. Lediglich "Die Wunderwelt" erschien als Jugendmagazin mit dem Schwerpunkt Umwelt bis in die 80er Jahre.

Jugendmagazine

In den 50er und 60er Jahren begann sich die Generation der Teenager in bisher nicht gekannter Weise von den Konventionen der Erwachsenen zu emanzipieren und eigene Jugendkulturen zu entwickeln. Das Jugendmagazin 'Bravo' ist ein Spiegelbild dieser Entwicklung. Natürlich war auch dieses Druckerzeugnis- obwohl es aus heutiger Sicht sehr 'brav' wirkt- den 'Jugendschützern', die sich bemühten, den Jugendlichen traditionell- konservative Werte einer ausgeprägt hierarchischen Gesellschaft zu vermitteln, ein Ärgernis. Auch rechtliche Schritte, die von Jugendschützern gegen dieses Magazin unternommen wurden, konnten seine weite Verbreitung nicht hindern. Magazine dieser Art entzogen aber den Kinderzeitungen, die im Vergleich dazu 'kindisch' wirkten, einen Großteil der älteren Leserschaft.

* Comics

Ab Anfang der 50er Jahre kamen aus Deutschland zahlreiche Comics nach Österreich. In einer Zeit des medialen Überangebotes kann man sich nur schwer vorstellen, welche unglaubliche Faszination diese bunten Heftchen damals auf Kinder und Jugendliche ausübten; Erwachsene standen dem meist verständnislos bis ablehnend gegenüber.
Selbstverständlich ritten die Jugendschützer und Befürworter des 'guten' Jugendbuches wilde Attacken gegen die Comics. Eine durchaus ernst zu nehmende Initiave, aus bildungspolitischen Erwägungen den Verkauf von Comics an Jugendliche unter 16 Jahren zu verbieten und unter Strafe zu stellen scheiterte letztlich nur deswegen, weil eine so weitreichende zensorische Maßnahme mit der Verfassung nicht mehr in Einklang zu bringen war.
Comics wurden- wenn dies ihre Eltern zuließen- von Kindern etwa ab 9 Jahren gelesen und entzogen so den Kinderzeitungen weitere Leserschichten. Der potentielle Leserkreis für Kinderzeitungen wurde so auf die Altersgruppe bis 9 Jahren reduziert, eine Erkenntnis, die sich erst etwa 15 Jahre später die sogenannten Vorschulmagazine zunutze machten (vgl.'Deutsche Kinderzeitungen der Nachkriegszeit').

Um 1980 wurden neue Versuche unternommen, Kinderzeitungen kommerziell zu vertreiben und dabei deren Inhalt mit dem eines anderen, zunehmend kinderwirksamen Mediums, nämlich des Fernsehens zu koppeln:

am dam des

ab 1976 (?) bis Dezember 1982
Verlag: Sparkassenverlag
Herausgeber: Österreichischer Rundfunk (ORF)
Ausrichtung: Kinderzeitung mit Bezug auf das aktuelle Kinderprogramm im Fernsehen. Der Name leitet sich von einer beliebten Kindersendung her.
Preis: S 20.-
Die österreichische Kinderzeitschrift

Kunterbunt

ab November 1984; weiterer Verlauf nicht bekannt
Verlag: Carl Ueberreuter
Ausrichtung: Kinderzeitung mit Bezug auf das aktuelle Kinderprogramm im Fernsehen. Ähnlich wie "am dam des"
Preis: S 20.-
1984 war beabsichtigt, die traditionsreiche Kinderzeitung "Kinderpost" mit im wesentlichen unveränderter Konzeption und unter Heranziehung ehemaliger Mitarbeiter unter dem Titel

Neue Kinderpost

wiederzubeleben. Dieser wohl nur nostalgisch motivierte Versuch musste scheitern. Es blieb bei der 0-Nummer. Denn die große Zeit der in Österreich produzierten Kinderzeitungen war endgültig vorbei, zumal mit auflagensstarken, aus Deutschland kommenden Vorschulmagazinen wie "Bussi Bär" oder "Dumbo" eine Nachfolgegeneration von Kinderzeitungen den Markt eroberte.

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