Das Buch zum Thema:
Deutschsprachige Kinder- und Jugendzeitschriften
Leseprobe, Rezension, Bezugsmöglichkeiten

Die (deutsche) Kinderwelt

Eine Zeitschrift für Kinder
1926 bis 1944

Die Kinderwelt erschien von 1926 bis September 1944, zuerst im Verlag Emil Pinkau & Co, Leipzig, ab 1929 im Verlag 'Die Kinderwelt'. Erscheinungsfrequenz: zwei Wochen, ab November 1939 monatlich; pro Jahr erschienen dementsprechend 26 bzw. 12 Nummern.
Jedes Heft hatte 8 Seiten, war auf festes Papier gedruckt und pro Jahrgang (Kalenderjahr) durchgehend paginiert, offenbar damit es später zu einem Buch gebunden werden konnte. Die Hefte zeigen das jeweilige Kalenderjahr, nicht aber eine zusätzliche Jahrgangsnummerierung.
Das Konzept folgte einem bewährten Schema und wurde lange nahezu unverändert durchgehalten: Ein großes Titelbild, das zu einem Beitag im Inneren des Blattes gehörte, auf den beiden Mittelseiten zwei ganzseitige Bilder, die eine Geschichte illustrierten, kurze Geschichten, Märchen, Gedichte und Rätsel.
Der Vertrieb erfolgte über Abonnements, die Bestellungen nahmen die Postämter entgegen. Die Zeitung konnte in Deutschland, 'Deutsch-Österreich', in der 'Tschecho=Slowakei' und in der Schweiz bezogen werden. Der Preis in Deutschlan betrug 10 Pfg., später 15 Pfg., in Österreich 20g., später 25g. Es scheint so gewesen zu sein, dass die Zeitung ab ihrer Umbenennung in Deutsche Kinderwelt 1934, wobei vorübergehend auch das Hakenkreuz im Logo geführt wurde, bis zum sogenannten Anschluss (1938) in Österreich nicht mehr bezogen werden konnte. Der Nationalsozialismus war in Österreich nämlich ab 1933 verboten.
Über die Auflagenhöhe ist (mir) nichts bekannt. Ein auch heute noch vorhandener, relativ grosser Bestand auf dem Sammlermarkt läßt aber die Vermutung zu, dass diese Zeitschrift weit verbreitet war.
Von Interesse ist diese recht konservativ gemachte Kinderzeitung wegen der Mitarbeit etlicher seinerzeit recht bekannter Zeichner und wegen ihrer Hinwendung zum Nationalsozialismus ab 1934 (vgl. Kinder und Propaganda, Das Kinderbuch im Dritten Reich).

Bild links: Bis einschließlich Nr. 25 aus 1928 sah die Kindewelt so aus. Die Abbildung zeigt das Heft Nr. 14 aus 1928. Die Titelzeichnung und die beiden Zeichnungen der Mittelseiten, die eine Fortsetzungsgeschichte illustrieren, stammen von der bekannten Wiener Malerin Marianne Frimberger
Ab 1929: Verlag 'Die Kinderwelt'.

Bild links: Aussehen der Kinderwelt von einschließlich Nr. 26 aus 1928 bis einschließlich Nr.7 aus 1934.
Die Abbildung zeigt das Heft Nr. 6 aus 1931. Die Titelzeichnung und die beiden Zeichnungen der Mittelseiten stammen von Nora Schnitzler.
Nora Schnitzler (auch Enni van Laer), geboren 1901, wuchs in Amsterdam auf, studierte in Deutschland und schuf bis 1932 zahlreiche Titelblätter und Zeichnungen für die Kinderwelt.
Sie ist vor allem in den Niederlanden, wo sie unter dem Namen Enni van Laer arbeitete, als Illustratorin von Kinderbüchern, der Kinderseite des 'De Telegraaf' und Designerin von Kinderpostkarten bekannt.

Die Abbildungen oben stammen aus dem Heft Nr. 5 aus 1930 und wurden von Bruno Zwiener gezeichnet.
Bruno Zwiener, ein dtsch. Maler und Grafiker wurde 1889 in Glatz geboren, studierte in Breslau und wurde vor allem durch Landschaftsbilder aber auch durch Kinderbilder bekannt. Er lebte vmtl. bis 1945 in Breslau. Viele seiner Arbeiten haben seine Heimat Schlesien zum Gegenstand. Zwiener war einer der meistbeschäftigten Zeichner der Kinderwelt.

Die Beispielsseiten oben zeigen, dass die Kinderwelt besonders in ihren ersten Jahren recht ansprechend gestaltet war: Die Schneballschlacht von der bekannten Kinderbuchautorin Frieda Schanz (1859 - 1944), illustriert von Ilse Meister Zeyen (Heft Nr. 2 aus 1930)

Teilweise waren (unpaginierte) Bastel- bzw. Spielbögen beigelegt. Das Beispiel oben zeigt die Beilage aus Heft Nr. 2 aus 1929. Es handelt sich um eine optische Spielerei. Legte man eine rote Folie über das Bild links, erschien das Bild rechts.

Ab Nr. 8 aus 1934 änderten sich sowohl der Titel als auch das Aussehen der Zeitschrift dramatisch. Ab nun lautete der Name Deutsche Kinderwelt und im Logo schien das Hakenkreuz auf. An Stelle eines märchenerzählenden Zwergleins marschierte plötzlich das Jungvolk.
Während sich die sogenannten Werbekinderzeitungen, die zu dieser Zeit weit verbreitet und für das Zielpublikum kostenlos waren (vgl. Deutschsprachige Kinderzeitungen der Zwischenkriegszeit), weltanschaulich strikt neutral hielten, erlagen manche kommerziell vertriebenen Kinderzeitung - soweit sie nicht verboten wurden - der Versuchung sich dem Regime anzubiedern und sich die massive staatliche Jugendpropaganda sozusagen als Werbevehikel zunutze zu machen; so auch die 'Kinderwelt'.
Inhaltlich entsprach diese ideologische Neuorientierung etwa dem, was auch in Schulbüchern für Schulanfänger vermittelt wurde (vgl. Kinder und Propaganda, Das Kinderbuch im Dritten Reich): Es wurde für die nationalsozialistischen Jugendorganisation geworben, die Kinder wurden in kleinen Geschichten zur Hilfsbereitschaft und Kameradschaft angehalten, deutschnationaler Patriotismus wurde vermittelt und dem 'Führerkult' gehuldigt. 'Führers' Geburtstag wurde jedenfalls regelmäßig gedacht.

Ab Jänner 1936 änderte sich das Aussehen der Zeitschrift neuerlich. Das Hakenkreuz war vom Logo, das plötzlich wieder nur Kinder und Zwerge zeigte, verschwunden. Inhaltlich finden sich zwar noch gelegentlich propagandistische Beiträge mit nationalsozialister Tendenz, aber weit seltener als in den beiden vorangegangenen Jahren.
Man kann vermuten, dass das nicht in erster Linie auf eine geänderte Gesinnung der Herausgeber zurückzuführen ist.
Nachdem 1933 die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren, setzten nicht wenige Firmen das Hakenkreuz als Werbesymbol ein, weshalb bald die unkontrollierte Verwendung des Hakenkreuzes für Produkte, die nicht unmittelbaren Bezug zur Partei hatten ("Gesetz zum Schutz der nationalen Symbole" vom 19.05.1933) verboten wurde. 1935 wurde das Hakenkreuz schließlich offiziell Staatssymbol und dufte damit nur mehr für hoheitliche Zwecke verwendet werden. Regimekonforme Illustrationen (zB. beflaggte Gebäude und dgl.) blieben natürlich erlaubt und finden sich gelegentlich auch noch nach 1935 in der 'Kinderwelt'.

Abbildung oben links: Titelzeichnung zu Heft Nr. 4 aus 1937.
Abbildung oben rechts: Mittelblattillustrationen des Heftes Nr. 9 aus 1936
Die Zeichnungen stammen von Curt Junghändel. Der Maler und Graphiker Curt Junghändel studierte um die Jahrhundertwende (1900) in München und illustrierte in den 20er und 30er Jahren etliche Kinderbücher. Die Abbildung links zeigt das von ihm illustrierte Bilderbuch 'Soldatenspiel', das aus der Zeit des dritten Reiches stammen dürfte. Junghändel war ein gut beschäftigter Zeichner der 'Kinderwelt'

Ab Anfang 1939 wurden die Mittelseiten nicht mehr mit zwei ganzseitigen Bildern illustriert, sondern lockerer gestaltet (Abbildung oben links).
Ab Heft Nr. 13 aus 1939 wurde auf dem Titelblatt die Bezeichnung 'Eine Kinderzeitschrift für Spiel und Spass, Freude und Kameradschaft' eingefügt.
Die Zeichnungen oben stammen von dem als Kinderbuchillustrator bekannten Toni Wagner-Schilffarth

Auch der zweite Weltkrieg, der im September 1939 mit dem deutschen Angriff auf Polen begonnen hatte, fand in der 'deutschen Kinderwelt' seinen Niederschlag.
Ab November 1939 wurde auf monatliche Erscheinungsweise umgestellt. Der Jahrgang 1939 hat demgemäß 24, die folgenden Jahrgänge (bis einschl. 1943) 12 Nummern.
Bild oben links: Heft Nr. 4 aus 1940 'Vati hat Fronturlaub'.
Bild oben mitte: Heft Nr. 9 aus 1940 'Wenn Vater nach Hause schreibt'.
Das Bild oben rechts stammt aus dem Heft 7 aus 1942. Es handelt sich um die Illustration zu einer Geschichte die mit den 'verständnisinnigen' Worten des Vaters zur Mutter endet: "Laß sie nur, sie spielen bloß Handgranatenwerfen"
Es muss allerdings gesagt werden, dass es sich dabei um eine Ausnahme handelt. In den meisten Heften findet der Krieg keine Erwähnung.

Die Titelzeichnungen zu den oben abgebildeten Heften, Nr. 1 aus 1940 und Nr. 9 aus 1941 stammen von Curt Junghändel.

Bild oben links: Heft Nr. 6 aus 1943; Titelzeichnung: C. Junghändel
"Aus Gründen der Papirersparnis muß zufolge höherer Anordnung die Kinderwelt von jetzt an in einem etwas kleinerem Format erscheinen."
Bild oben mitte: Heft Nr. 3 aus 1944. Die Zeitung erscheint nur mehr zweifarbig.
Die Hefte 5, 6, 7, und 8 aus 1944 tragen alle die Aufschrift September 1944 und sind wahrscheinlich anläßlich der Einstellung der Zeitung gemeinsam herausgekommen. Die Abbildung oben rechts zeigt das Heft Nr. 8 aus 1944, also das letzte Heft der 'Kinderwelt'.

Bild oben: Die Abschiedsbotschaft der 'Deutschen Kinderwelt' aus dem Heft Nr. 8 aus 1944.
Keine andere Kinderzeitung ist - soweit ich weiß - noch so lange während des Krieges erschienen. Die meisten anderen Kinderzeitungen mussten ihr Erscheinen spätestens 1941 einstellen.
Die Hoffnung auf ein Wiederscheinen nach dem Krieg erfüllte sich nicht.
Die Jahrgänge 1934 und 1935 wurden in der sowjetischen Besatzungszone in die Liste der auszusondernden Literatur aufgenommen und verboten.


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