Die Anfänge nach 1945: Teil 1

Verlage und Autoren

1.

Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg wurde in Österreich, das nicht in so starkem Maße wie Deutschland von der damals herrschenden Papierknappheit betroffen war, die Produktion von Kinderbüchern in bescheidenem Maße wieder aufgenommen. Anfangs versuchten einige Kleinverlage mit eiligst hergestellten Bilder- und Malbüchern, vereinzelt auch mit Märchenbändchen die bestehende Marktlücke zu schließen. Papierqualität und Druck waren der Not der Zeit entsprechen schlecht, Zeichnungen und Texte wenig professionell. Teilweise fehlen sogar Angaben zu Erscheinungsjahr, Verlag bzw. Autor. Diese Periode ist praktisch nicht dokumentiert, zumal die bescheidene Qualität weder die Sammler noch die Literaturhistoriker zu einer Befassung mit diesen frühen Produktionen animiert.


Beispiele für kaum mehr bekannte, frühe Produktionen verschiedener Verlage (um 1946)

Ein zeitgeschichtliches Dokument eigener Art ist Der Hamsterer, ein lustiges Bilderbuch; Verlag Joh. Leon sen., Klagenfurt-Wien; wahrscheinlich 1946. Dieses - in Wahrheit gar nicht lustige - Bilderbuch beginnt so:

Der Krieg ist aus - groß ist die Not,
Auf Karten nur gibts Fett und Brot,
manch' andre Dinge fehlen schwer,
der schwarze Handel blüht drum sehr.
Wie Hamster, Dachs und Fuchs ihn trieben
Steht mahnend drum hier aufgeschrieben.
Und die Moral von der Geschicht' - ?
Ich warne dich: Schwarzhandle nicht!

Die Geschichte endet damit, dass sowohl Schleichhändler als auch Kunden eingesperrt werden: " Und wer es ihnen nachmacht , wird / Gleichfalls im Kittchen einquartiert!"
Das Büchlein war eindeutig als Kinderbuch konzipiert. Da aber Kinder wohl kaum in die Situation kommen konnten, sich mit Hamstern und Schleichhandel zu beschäftigen, ist anzunehmen, dass die warnende Botschaft, wahrscheinlich mit obrigkeitlicher Ermutigung, an die Eltern gerichtet war. Im Ergebnis ein ähnlicher Mechanismus, Eltern über ihre Kinder zu beeinflussen, wie ich ihn unter dem Schlagwort Kinder als Kaufmotivatoren beschrieben habe.

2.

Mit den drei grossen Kinderzeitungen "Wunderwelt", "Kinderpost" und "Unsere Zeitung (UZ)", die sich zwischen 1946 und 1948 auf dem Markt etablierten, stand bald qualitativ hochwertige Kinder- und Jugendlektüre zur Verfügung. Die Besonderheit dieser Entwicklung bestand darin, dass die im Verhältnis zur Nachfrage unzureichende Kinderbuchproduktion durch Kinder- und Jugendliteratur im billig herzustellenden Zeitungsformat kompensiert wurde.


Diese drei Zeitungen erwiesen sich im Vergleich zu der auch inhaltlich stagnierenden Kinderbuchproduktion als recht inovativ. Sie spielten etwa zehn Jahre lang eine wesentliche Rolle auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendliteratur im Österreich der frühen Nachkriegszeit. An der 'UZ' beispielsweise, arbeiteten jahrelang später so bekannte Kinderbuchautorinnen bzw. Zeichnerinnen mit, wie Mira Lobe, Friedl Hofbauer oder Susanne Weigel.

3.
Der Verlag Jugend und Volk (J & V)

Der "(Deutsche) Verlag für Jugend und Volk" wurde im Jahre 1921 von der Stadt Wien gegründet, um die sozialdemokratisch ausgerichtete Schulreform der ersten Republik (Einheitsschule), deren führender Organisator Otto Glöckel war, durch ein entsprechendes Angebot an Lehrbüchern sowie Kinder und- und Jugendbücher zu unterstützen.
Nach 1945 griff der Verlag zunächst vielfach auf Vorlagen der Zwischenkriegszeit zurück. Später wurden auch Bücher neuer Autoren wie Bruckner, Habeck und Lobe veröffentlicht.
Mitte der 90er Jahre gab der Verlag die Kinder- und Jugendbuchproduktion auf und konzentriert sich seither auf die Produktion von Schulbüchern. Seit in Österreich 1972 die Gratisschulbücher, zu denen die Schüler nunmehr einen finanziellen Beitrag zu leisten haben, eingeführt wurden, hat sich nämlich das Angebot an Schulbüchern vervielfacht und verschafft einschlägigen Verlagen und Autoren eine gesicherte Existenz.
Derzeit (2002) beträgt das Angebot an Schulbüchern 3500 Titel; jährlich werden 9.000.000 Schulbücher verteilt; die Kosten betragen mehr als 90.000.000 Euro (Quelle: derStandard.at; 21 März 2002: 30 Jahre Schulbuchaktion).
Die Zeiten in denen Jugendbuchverlage mit Romanheftverlagen (das gute Jugendbuch kontra Schmutz und Schund) um Markteanteile kämpfen mussten, um ihre Auflagen, die oft nur einige Tausend betrugen, verkaufen zu können, sind endgültig vorbei.

Diese schönen Heftchen (die Reihe umfasste etwa 30 Bände) erschienen ab 1946 im Verlag für Jugend und Volk, und waren zum Unterrichtgebrauch an Schulen zugelassen.
Eine Vollständige Auflistung der in dieser Reihe erschienen Bändchen finden Sie unter Murli Brumm und andere lustige Leute.
Der Verlag Jugend und Volk brachte auch die Bücher von Anneliese Umlauf Lamatsch heraus. Teilweise waren das Neuauflagen von Erzählungen, die vor oder während des Krieges entstanden waren.

Anneliese Umlauf- Lammatsch (1895- 1962) schuf Klassiker der Kinderliteratur, die auch heute noch als Reprintausgaben erscheinen und sich ungebrochener Beliebtheit erfreuen. Sie wirkte ohne Unterbrecheung ab 1920; ihre Werke erschienen hauptsächlich im "Verlag für Jugend und Volk".


Beispiele für weitere frühe Kinderbücher des Verlages Jugend und Volk nach 1945: 'Unser erstes Buch' (Schulbuch 1946); 'Kinder, gebt acht!' (Schulbuch zur Verkehrserziehung 1951); 'Vier denkwürdige Tage' (Eine Art Zeitreisegeschichte von Alma Auswald- Heller 1950); 'Peter, der Rabe' (Tiergeschichte von Felix Roschè 1950; von diesem Autor erschienen einige Romane, ausschließlich Erzählungen über Tiere)

4.
Der Verlag Jungbrunnen

Der "Verlag Jungbrunnen" geht auf den sozialistischen Arbeiter und Bildungsverein 'Kinderfreunde' zurück, der seine organisatorischen Wurzeln bereits in der ausgehenden Monarchie hat. Als Verlag wurde 'Der Jungbrunnen' 1923 gegründet. Er verstand sich zunächst nicht als Verlag für Kinder- und Jugendliteratur, sondern publizierte programmatische Literatur zum Thema sozialistische Jugenderziehung. 1934, mit dem Beginn des Ständestaates, wurden die sozialistische Partei und ihre Vorfeldorganisationen verboten. Dieses Schicksal traf auch den Verlag Jungbrunnen.
1945 wurden die 'Kinderfreunde' als Teilorganisation der SPÖ wiederbegründet. Der ebenfalls wiedererstandene Verlag Jungbrunnen stellte kein eigenständiges wirtschaftliches Unternehmen dar, sondern war organiatorisch den Kinderfreunde angegliedert. Ein früher Versuch, ihn als Literaturverlag zu etablieren blieb ohne nachhaltigen Erfolg. Etwa ab 1950 begann der Verlag mit der Produktion von Kinderbüchern, die im Rahmen der Kinderfreunde kostenlos an Arbeiterkinder, die sonst kaum Zugang zu guten Büchern hatten, verteilt wurden. Finanziert wurden diese Aktionen durch Spenden aus den Organisationen der SPÖ.
Obwohl kostengünstig hergestellt (meist broschürt), waren diese Bücher inhaltlich von guter Qualität und unterhaltsam noch dazu; eine gelungene Mischung zwischen pädagogischen Ansprüchen und Unterhaltungslektüre.
Der Verlag Jungbrunnen verfolgte konsequent eine Philosophie, die auf die Gründungszeit zurückging und von dem Gedanken geprägt war, dass Kinder- und Jugendlektüre immer im Zusammenhang mit Erziehungsgrundsätzen gesehen und als Erziehungsmittel aufgefasst werden müsse. Dementsprechend wurde triviale Unterhaltungslektüre ohne erzieherische Aspekte abgelehnt. Das ist auch heute noch so. Einer aktuellen Verlagsinformation entnehme ich: "Wir wollen ihnen (den Kindern und Jugendlichen) keine trivialen Ideal- und Scheinwelten vorgaukeln,....Wir wollen sie unterhalten, aber nicht nur das. Sie sollen sich in unseren Büchern zu Hause fühlen und im Idealfall darin ein Umfeld finden, das es ihnen ermöglicht, sich mit für sie existentiellen Fragen auseinanderzusetzen."
Dem Verlag Jungbrunnen (und damit den Kinderfreunden) muss für primär nicht gewinnorientierte, volkserzieherische Leistungen in der frühen Nachkriegszeit größter Respekt gezollt werden.

Die Bücher von Friedrich Feld (Friedrich Rosenfeld; 1902- 1987) erschienen ab 1950 im Verlag Jungbrunnen und bezauberten durch ihre Originalität.
Der Verlag Jungbrunnen brachte- um nur einige weitere Beispiele zu nennen- auch Bücher von Vera Ferra Mikura, Walter Kukula und Irene Stemmer heraus.

'Der goldene Ofen', 'Der blaue Papagei' (Märchenhafte Erzählungen von Irene Stemmer,1951, 1954); 'Bürgermeister Petersil' (Vera Verra- Mikura 1952); 'Nasredin der Schelm' (Walter Kukula 1954)


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