Dideldum
Die lustige Kinderzeitung
Teil 3

Obwohl Otto Waffenschmied, der Gestalter des Dideldum in erster Linie und nicht zu Unrecht wegen seiner Zeichnungen, insbesondere wegen der schönen Titelblätter als Grafiker gerühmt wird, sind auch die im Dideldum erschienen Textgeschichten für die damalige Zeit höchst bemerkenswert. Da ist zunächst die Fortsetzungsgeschichte

Käppen Bidebux

die regelmäßig auf der letzten Seite erschien. Erzählt wird die Geschichte in der Traditon der Briefromane. Bidebux oder einer seiner Gefährten (Jonathan Lügenbalg) berichten mittels Funkspruch den Lesern des Dideldum von ihren Abenteuern, wobei natürlich der Funkspruch an der spannendsten Stelle abgebrochen und der Leser auf die nächste Folge verwiesen wird.
Die flüssig erzählten Geschichten sind von Fabulierlust geprägt und lassen kaum ein Thema der fantastischen Abenteuerliteratur aus. Bidebux und seine Gefährten reisen mit Schiffen, Unterseeboten, Flugzeugen und Raumschiffen, besuchen ferne Sterne und Unterseereiche, bekommen es mit echten und falchen Gespenstern zu tun und legen so manchem Bösewicht das Handwerk.
Auffallend ist die manchmal geradezu visionäre Vorliebe des Autors für damals neuere naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Erfindungen. Bidebux macht etwa die Bekanntschaft des Professor Fluwitsch, von dem in einer Klabautermannepisode erzählt wird, dass er mit einer von ihm erfundenen Maschine die Erdachse ein wenig geneigt und dadurch eine weltweite Klimaänderung ausgelöst hat, deren Auswirkungen er auf einem riesigen Fernsehschirm verfolgt (1934/14). Ebenderselbe Fluwitsch kann auch Strahlen erzeuen, die, wenn sie nicht mit einem 'Strahlenrücksauger' gebändigt werden, in immer schnelleren Bahnen kreisen und sich dabei so erhitzen, dass es zu einer Katastrophe kommen kann. Man erinnert sich dabei unwillkürlichen an Befürchtungen, die jungst im Zusammenhang mit geplanten Experimenten in einem kreisförmigen Teilchenbeschleuniger geäußert wurden.

Bilder oben: Fluwitsch's Laboratorium unter dem Nordpol.

An anderer Stelle reisen Bidebux und seine Freunde in einem natürlich von Fluwitsch konstruierten Raumschiff mit doppelter Lichtgeschwindigkeit durchs All. Dabei treffen sie auf einen kosmischen Nebel, in dem sich das Licht nur langsam fortpflanzen kann, weshalb sich darin - frei nach Einstein - frühere Zeitalter "verfangen" haben. Damit beginnt ein Zeitreiseabenteuer. Mir ist sonst kein Fall in der damals im deutschen Sprachraum vertretenen Zeitreiseliteratur bekannt, in dem - wenn auch nur in scherzhafter Weise - auf die Relativitätstheorie Bezug genommen wurde.
Eine andere liebenswürdige Eigenart der Bidebux-Geschichten besteht darin, dass Bidebux mit anderen Figuren aus dem Dideldum zusammentrifft. Dabei verlaufen die jeweiligen Handlungsstränge völlig unabhängig voneinander, bis sie sich an einer bestimmten Stelle der Erzählungen kreuzen und wieder trennen.
Im Jänner 1934 hatte Waffenschmied mit der Fortsetzungsgeschichte Klabautermann begonnen. Der leibhaftige Klabautermann tritt in die Dienste von Onkel Dideldum (das Pseudonym unter dem Waffeschmied seinen Lesern gegenübertrat) und verpflichtet sich regelmäßig über seine Erlebnisse zu berichten, wie zum Beispiel von diesem:
Klabautermann, der ja ein geisterhaftes und von den Unbillen der Witterung unabhängiges Wesen ist, trifft überraschend seinen alten Freund Fluwitsch, der am Nordpol spaziern geht. Fluwitsch hat nämlich unter dem ewigen Eis sein Laboratorium eingerichtet, das durch eine "Atomzertümmerungsmaschine" (! 1934 !) mit Energie versorgt wird. Gleichzeitung nähert sich Bidebux, der mit seinem Flugzeug im Polareis hatte landen müssen, mit seiner Mannschaft dem Nordpol, wo sie von den Leuten des Fluwitsch, der bei seinem Versuch das Weltklima zu ändern nicht gestört werden möchte, gefangen genommen werden. Klabautermann verhilft Bidebux zur Flucht, dann trennen sich die Handlungsstränge wieder. Klaubautermann streift weiter durch die Welt, während Bidebux im Auftrag des Fluwitsch, mit dem er sich versöhnt hat, einen Flug ins Weltall unternimmt.

Bild oben: Bidebux und seine Crew erreichen den Nordpol. Funkspruch: Deutliche Spuren von Polarflieger in Form von Sardinenbüchsen, Bierflaschen, ausgelesenen Schmökern und anderem mehr. Temperatur 49 Grad unter Null im Schatten. Wind südlich, Kompaß nicht zu gebrauchen, im großen ganzen trostlose Gegend.

In einem anderen Fall läßt Waffenschmied beispielsweise Max und Miki mit Bidebux zusammentreffen. Sie sind aus verschiedenen Gründen und ohne zunächst voneinander zu wissen in einem Geisterschloss eingetroffen, wo Max und Mike im Keller und Bidebux in der Halle durch das gleiche gespenstisches Stöhnen erschreckt werden.

Auf Seite 12 hören Max und Miki im Rahmen ihres Strips das Stöhnen, auf Seite 16 Bidebux. Letztlich gesellt sich sogar Klabautermann zu ihnen. Durch die gelegentliche Verknüpfung der ganz verschiedenen Serien, die dabei aber jeweils eigenständig weitergeführt werden und die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven schildern, entsteht so eine Art Dideldum - Universum.
Nachdem die falschen Geister entlarvt sind, trennen sich die Wege der verschiedenen Figuren wieder - für eine Zeitlang.

Eine der eigenartigsten Geschichten, die im Dideldum erschienen sind, war

Kasper schlägt sich durch

Kasper war ursprünglich ein Engel und wohl der lustigste von allen Engeln. Als sich Luzifer gegen Gott empörte, nahm Kasper von Luzifer getäuscht am Aufruhr teil, weil er alles für einen grossen Spass hielt. Er wurde so wie alle aufrührerischen Engel bestraft, später aber begnadigt und durfte in drolliger Mißgestalt - als Kasper eben - auf Erden wandeln. Ein magischer Knüttel wurde ihm gegeben, der ihn, ähnlich wie der Hammer Thors, nahezu unbesiegbar machte.
Kasper tritt als Hofnarr in die Dienste des Höllenfürsten, gewinnt sein Vertrauen und lockt ihn und seine höllischen Scharen in einen Hinterhalt, wo sie von den himmlischen Heerscharen besiegt werden.
Danach tritt Kasper als Spaßmacher in die Dienste einer Prinzessin, bekommt es mit der Polizei zu tun und wird Lehrling eines Zauberers. Als Gesellenstück zaubert er sich einen Panzerkreuzer (!), mit dem er in Begleitung des Zauberers zur See fährt und den Fliegenden Holländer trifft. Mit dem Schiff des fliegenden Holländer segelt er in die Hölle zurück, wo er von der Höllengrossmutter als Lehrer Luzifers bestellt und schließlich beauftragt wird, den Fliegenden Holländer, der (mit seiner Hilfe) dem Einfluss der Hölle entronnen war, wieder dingfest zu machen. Luzifer muss ihn auf Befehl der über seine Ungeschicklichkeit empörten Höllengrossmutter begleiten und wird Kaspers Diener. Bei ihren Abenteurn werden sie argwöhnisch von der Höllengrossmutter beobachtet, die immer wieder den Weg Kaspers kreuzt, etwa als elegante junge Dame, die in einem Casino die Spielbank sprengt.....

Eine wirklich verrückte Geschichte, die weitgehend die Charaktere der Hohnsteiner Kasperspiele verwendet, die sich in den 20er und 30er Jahre grosser Beliebtheit erfreuten, aber von Waffeschmied durchaus eigenwillig interpretiert werden.


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