Die Comics, die ab 1954 in großer Zahl aus Deutschland kommend den Österreichischen Markt erreichten und nach dem Verständnis der Zeit ausschließlich für Kinder bestimmt waren, hatten in Deutschland bereits einen Läuterungsprozess erfahren. Durch die Bundesprüfstelle waren Hefte mit allzu bedenklichem Inhalt bereits indiziert worden, die anderen wurden durch freiwillige Selbstkontrollen tiefgehend enttschärft, um diesem Schicksal zu entgehen.
Zunächst wurde alles entfernt, was 'der Reizung der Lüsternheit und Irreleitung des Geschlechtstriebes' dienen konnte, was besonders bei Übernahme äusländischer Serien geboten war.
Dazu gehörte eine entsprechend sittsame Kleidung besonders bei ansehnlichen jungen Damen, die als Amazonen, Dschungelprinzessinnen und dgl., aber auch als beklagenswerte Opfer schurkischer Umtriebe, die auf Rettung hofften, eine allzu freizügige oder derangierte Kleidung aufwiesen. Es wurden ihnen längere Kleider, wenn möglich hochgeschlossen verpasst, oder exotische Kostüme in einer Weise (um)gezeichnet, dass sie wie sittsame Badeanzüge aussahen. Bei der Gelegenheit wurden auch ausladende Oberweiten ('das muss ja nicht sein') auf ein aktzeptables Maß verkleinert.
Selbstverständlich waren auch die Herrn einer gewissen Kleiderordnung unterworfen. Dürftig bekleidete Dschungelmänner wie z.B. Tarzan, Akim, Tibor und Konsorten trugen entweder eine Art schicklicher Badehose oder einen Lendenschurz, der eine entsprechende Länge aufzuweisen hatte. Die Zensoren waren offenbar von der irrationalen Angst geplagt, bei kühnen Lianenschwüngen könne ansonst unversehens Unsägliches sichtbar werden.
Paare, die einen allzu intimen Eindruck machten, waren zu vermeiden und wurden notfalls auseinandergezeichnet, sodass sie dasaßen wie auf einem Schulausflug, wenn der Direktor hinsieht.
Überhaupt war auch nur die Andeutung einer außerehelichen Liebeseziehung bedenklich. Ein besonderes Problem stellte Tarzan dar, der, wie man weiß, mit seiner Jane mitten im Urwald in einem Baumhaus wohnte und in späteren Folgen sogar einen Sohn hatte (..die sind doch nicht richtig verheiratet, oder?). Auch die italienisch/deutsche Tarzanversion Akim verhielt sich ähnlich. Seine Jane hieß Rita, wurde aber in der deutschen, von Wäscher gezeichneten Variante gelegentlich zuhause gelassen (..das ist zu gefährlich für Dich..) und verschwand so zeitweise für etliche Folgen aus dem Blickfeld mißtrauischer Jugendschützer. Nachdem Akim eingestellt hatte werden müssen, weil der italienische Verlag, von dem diese Serie ursprünglich stammte, die Verwendung des Namens für die eigenständige (brave) deutsche Serie nicht mehr duldete, betrat Tibor (eine themengleiche, auch von Wäscher gezeichnete Figur, aber eben mit anderem Namen) die Szene. Er kam ohne Frau aus und vermied so viel Ärger (mit den Zensoren).
Auch der edle Ritter Sigurd und seine Nachfolgefigur Falk ritten hunderte Folgen lang durchs Mittelalter und verzichteten auf amouröse Abenteuer oder schlampige Verhältnisse (na also, so gehts doch auch!). Nicht zu beanstanden war hingegen Prinz Eisenherz. Denn der Gute hatte schon relativ früh seine einzige große Liebe Aleta geheiratet und führte ein vorbildliches Familienleben.
Eine schöne aber grausame Königin ('Herrscherin ohne Gnade') macht dem in ihrer Folterkammer angeketteten Sigurd Avancen (natürlich in Form eines Heiratsantrages; etwas anderes wäre den Kindern schon aus moralischen Gründen nicht zuzumuten gewesen). Offenbar um eine sexuelle Missdeutung dieser Szene zu vermeiden wurden in der überarbeitet Fassung die Ketten weggelassen. |
Ferner war tunlichst alles zu tilgen, was geeignet sein konnte die sittliche und geistige Entwicklung jugendlicher Personen durch Verleitung zu Gewalttaten und strafbaren Handlungen schädlich zu beeinflussen.
Dazu gehörten Darstellungen von Schlägereien, Schießereien, Waffen, Leichen und dgl. mehr. Kämpfe wurden daher soweit möglich durch wenige Bilder angedeutet, Waffen bisweilen aus dem Bild retuschiert. Die Szene konnte dann so aussehen: Der Held weist mit anklagender Geste (die Pistole hatte man ihm wegretuschiert) auf den Schurken, der ohne ersichtlichen Grund umfällt.
Das Beispiel stammt aus "Sigurd", Piccolo Nr. 2. Das erste Bild findet sich in der Version von 1953, also bevor die Bundesprüfstelle tätig wurde. Das zweite Bild ist aus einer Neuauflage von 1961, das Heft weist das Prüfsiegel einer Selbstkontrolle auf und ist entsprechend bereinigt. Das Schwert durchbohrt nun nicht mehr den Gegner und die eindeutig geäußerte Tötungsabsicht: "Ich habe Dich gewarnt, stirb!" ist weggelassen. |
Letztlich war darauf zu achten, dass die Geschichten und Bilder nicht allzu 'nervenerregend' und 'nervenaufpeitschend' waren. Verpönt war daher die erschreckende Darstellung von Monstern, Geistern, Dämonen und Scheusalen aller Art, vor allem im Rahmen von unwahrscheinlichen und phantastischen Geschichten, also alles, was den Kleinen kurz gesagt Alpträume oder schlaflose Nächte bereiten konnte.
Die Reihe Akim erschien in sogannten Piccoloformat (17cm x 8cm) und wurde in der von Pedrazza gezeichneten Version mit Band 78 dauerindiziert. Oben Band 66, der schon zuvor als Einzelheft indiziert worden war. Affenmonster, die sich über junge Damen hermachten, hatten wenig Chancen dem Zensor zu entgehen (vgl. "Die Fährte der Kopfjäger", das erste in Österreich indizierte Druckwerk nach dem Pornographiegesetz) |
Es wäre allerdings falsch zu glauben, in Amerika sei die Haltung liberaler gewesen. Als nach 1945 Comics begannen, zunehmend ein erwachsenes Publikum anzusprechen und den Boden harmloser Bildgeschichten zu verlassen, gerieten sie auch in Amerika in das Visier der Jugendschützer.
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Die Einschränkungen, die sich die Comicindustrie sowohl in Amerika als auch in Deutschland, wo ähnliche Richtlinie galten, auferlegen musste, waren so weitreichend, dass sich die Produktion von Comics weitgehend auf kindergerechte Produkte zurückzog und so den bis heute - trotz inzwischen eingetretener Liberalisierung - fortwirkenden Ruf der Comics als eine Art Kinderlektüre begründete.
Man kann sich daher vorstellen, dass die 'vorgesäuberten' Comics der 50er, die Österreich aus Deutschland erreichten (amerikanischen Vorlagen waren dann schon zweimal zensuriert) nicht besonders geeignet waren, mit jenem Reportoir bekämpft zu werden, das die Österreichischen Jugendschützer dem abenteuerlichen Heftroman gegenüber entwickelt hatten. Das sogenannte Pornographiegesetz bot dazu zu wenig Handhabe. Man musste auf eine andere Argumentationslinie zurückgreifen und versuchen die Gesetzeslage zu verschärfen, um auch die Comics zu unterdrücken.