Comics und Bildgeschichten

Die Rolle der Comics in der Geschichte der Österreichischen Kinderliteratur der frühen Nachkriegszeit; Teil 2

Die Comics, die ab 1954 in großer Zahl aus Deutschland kommend den Österreichischen Markt erreichten und nach dem Verständnis der Zeit ausschließlich für Kinder bestimmt waren, hatten in Deutschland bereits einen Läuterungsprozess erfahren. Durch die Bundesprüfstelle waren Hefte mit allzu bedenklichem Inhalt bereits indiziert worden, die anderen wurden durch freiwillige Selbstkontrollen tiefgehend enttschärft, um diesem Schicksal zu entgehen.

Eine schöne aber grausame Königin ('Herrscherin ohne Gnade') macht dem in ihrer Folterkammer angeketteten Sigurd Avancen (natürlich in Form eines Heiratsantrages; etwas anderes wäre den Kindern schon aus moralischen Gründen nicht zuzumuten gewesen). Offenbar um eine sexuelle Missdeutung dieser Szene zu vermeiden wurden in der überarbeitet Fassung die Ketten weggelassen.

Das Beispiel stammt aus "Sigurd", Piccolo Nr. 2. Das erste Bild findet sich in der Version von 1953, also bevor die Bundesprüfstelle tätig wurde. Das zweite Bild ist aus einer Neuauflage von 1961, das Heft weist das Prüfsiegel einer Selbstkontrolle auf und ist entsprechend bereinigt. Das Schwert durchbohrt nun nicht mehr den Gegner und die eindeutig geäußerte Tötungsabsicht: "Ich habe Dich gewarnt, stirb!" ist weggelassen.

Die Reihe Akim erschien in sogannten Piccoloformat (17cm x 8cm) und wurde in der von Pedrazza gezeichneten Version mit Band 78 dauerindiziert. Oben Band 66, der schon zuvor als Einzelheft indiziert worden war. Affenmonster, die sich über junge Damen hermachten, hatten wenig Chancen dem Zensor zu entgehen (vgl. "Die Fährte der Kopfjäger", das erste in Österreich indizierte Druckwerk nach dem Pornographiegesetz)

Es wäre allerdings falsch zu glauben, in Amerika sei die Haltung liberaler gewesen. Als nach 1945 Comics begannen, zunehmend ein erwachsenes Publikum anzusprechen und den Boden harmloser Bildgeschichten zu verlassen, gerieten sie auch in Amerika in das Visier der Jugendschützer.
Oberster Comicjäger in Amerika war ein gewisser Frederic Wertham, Leiter einer psychiatrischen Klinik, der in einer pseudowissenschaftlichen Arbeit belegte, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Konsum von Comics und Jugendkriminalität bestehe, weil fast jeder jugendliche Straftäter auch Comicleser sei. Damit bewegte sich die Diskussin in Amerika auf einem ähnlich unsachlichen Niveau wie die Schmutz- und Schund- Diskussion in Österreich und es wurde primär mit der sogenannten Nachahmungstheorie argumentiert
Vor allem in konservativen Kreisen Amerikas fand die Agitation Wertham's starken Anklang, der Senat befasste sich mit dem Problem, die Frage einer Zensur wurde diskutiert und Comics wurden öffentlich verbrannt. Die Parallelen, zu dem etwa zeitgleich in Österreich stattfindenenden Kampf gegen Schmutz und Schund in Bezug auf den abenteuerlichen Heftroman und die Forderung Comics für Jugendliche überhaupt zu verbieten (siehe die Folgeseite) ist frappierend.
Die amerikanische Comicindustrie geriet so stark unter Druck, dass sie sich ebenso wie es in Deutschland geschah, entschloss, ihre Erzeugnisse einer Freiwilligen Selbstkontrolle zu unterwerfen.
Am 26. Oktober 1954 wurde die Comics Code Authority (CCA) begründet, deren Aufgabe die Prüfung von Comics vor Veröffentlichung war.
Auszugsweise einige wenige Grundsätze dieser Prüfung:

Crimes shall never be presented in such a way as to promote distrust of the forces of law and justice, or to inspire others with a desire to imitate criminals.....
Policemen, judges, government officials and respected institutions shall not be presented in such a way as to create disrespect for established authority.
(Verbrechen dürfen niemals in einer Weise dargestellt werden, die Mißtrauen gegenüber Vertretern von Gesetz und Justiz fördern oder andere dazu verleiten könnte, Kriminelle nachzuahmen.... Polizisten, Richter, Regierungsbeamte und andere respektierte Institutionen dürfen niemals in einer Weise dargestellt werden, die Respektlosigkeit gegenüber staatlichen Autoritäten fördern könnte...)
Nudity in any form is prohibited....
Females shall be drawn realistically without undue emphasis on any physical quality.
(Nacktheit in jedweder Form ist verboten...
Frauen sollten realistisch gezeichnet werden, ohne übertriebene Hervorhebung irgendwelcher körperlichen Attribute.
)
Divorce shall not be treated humorously or represented as desirable...
Illicit sex relations are not to be portrayed and sexual abnormalities are unacceptable...
( Scheidung darf nicht mit Humor genommen oder als etwas Wünschenswertes dargestellt werden..... Unerlaubte sexuelle Beziehungen dürfen nicht dargestellt werden; sexuelle Abnormitäten sind unakzeptabel)

Die Einschränkungen, die sich die Comicindustrie sowohl in Amerika als auch in Deutschland, wo ähnliche Richtlinie galten, auferlegen musste, waren so weitreichend, dass sich die Produktion von Comics weitgehend auf kindergerechte Produkte zurückzog und so den bis heute - trotz inzwischen eingetretener Liberalisierung - fortwirkenden Ruf der Comics als eine Art Kinderlektüre begründete.
Man kann sich daher vorstellen, dass die 'vorgesäuberten' Comics der 50er, die Österreich aus Deutschland erreichten (amerikanischen Vorlagen waren dann schon zweimal zensuriert) nicht besonders geeignet waren, mit jenem Reportoir bekämpft zu werden, das die Österreichischen Jugendschützer dem abenteuerlichen Heftroman gegenüber entwickelt hatten. Das sogenannte Pornographiegesetz bot dazu zu wenig Handhabe. Man musste auf eine andere Argumentationslinie zurückgreifen und versuchen die Gesetzeslage zu verschärfen, um auch die Comics zu unterdrücken.

weiter zu: Service & Navigation
Die Rolle der Comics in der Geschichte der Österreichischen Kinderliteratur der frühen Nachkriegszeit; Teil 3 Zur Startseite mit dem Verzeichnis
aller anlinkbaren Beiträge
Der Kampf gegen "Schmutz und Schund" in Österreich nach 1945 Teil 1
Die Ursachen
Zurück, von wo Du gekommen bist